Börsen-Zeitung: Unbezahlbare EU, Kommentar zu den gescheiterten Verhandlungen über den Haushalt von Detlef Fechtner

Europäische Union muss im nächsten Jahr
womöglich einige Monate lang von der Hand in den Mund leben. Denn die
Verhandlungen über den Haushalt 2011 sind gescheitert. Gut denkbar,
dass sich die EU zunächst einmal auf Basis von monatlichen Budgets
finanzieren und dabei jeden Cent zweimal umdrehen muss, damit am
Fünfzehnten nicht schon Ultimo ist.

Mancher EU-Beamte oder EU-Abgeordnete sieht bereits den Untergang
des Abendlandes nahe – oder zumindest den Untergang der
Hauptverwaltung des Abendlandes. Aber die Sorge ist übertrieben. Denn
auch unter der Zwölftel-Regelung ist die EU handlungsfähig. Weder
Bauern noch Bürokraten müssen bangen. Und auch für den anstehenden
Aufbau und Ausbau der europäischen Finanzaufsicht gibt es Mittel und
Wege. Der kommissionsinterne Rettungsfonds für wackelnde
Euro-Staaten, der den großen Notfall-Topf in Luxemburg ergänzt,
bleibt vom Budgetstreit ohnehin unbeschadet. Insofern gilt: Es ist
alles nicht so dramatisch.

Natürlich fehlt es nicht an Schuldzuweisungen. Auf der einen Seite
richtet sich der Unmut gegen Regierungen, die vermeintlich nicht im
europäischen Geist handeln – in erster Linie gegen die Briten. Die
Vorwürfe sind etwas abgedroschen. Und sie übersehen, dass Schweden,
Finnen, Niederländer und Deutsche ebenfalls Vorbehalte haben. Zudem
folgt manche Klage der fragwürdigen Annahme, dass nur der ein guter
Europäer ist, der sich für ein spürbar wachsendes EU-Budget, für
zusätzliche Notgroschen und neue Finanzquellen starkmacht. Manchmal
reibt man sich die Augen, wenn die gleichen Amtsträger tags darauf
einen ehrgeizigen Sparkurs in den Mitgliedstaaten einfordern. Auf der
anderen Seite trifft die Kritik Parlamentarier, die die
Haushaltsberatungen angeblich missbrauchten, um ihren Einfluss auf
die EU-Kasse zu erweitern. Auch dieser Vorwurf überzeugt nicht. Er
basiert auf der eitlen Annahme nationaler Regierungen, die EU würde
„ihr“ Geld verschleudern. Das verkennt die Tatsache, dass europäische
Lösungen oft Firmen oder Verbrauchern das Leben einfacher und
günstiger machen.

Die EU hat deshalb zu Recht ihren Preis und ist ihr Geld wert. In
einigen Situationen ist sie sogar unbezahlbar. Allerdings darf genau
das nicht für die Budgetverhandlungen gelten, erst recht nicht in
Zeiten akuter Schuldenkrisen.

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