Wenn Finanzpolitiker tatsächlich darauf zielen,
Menschen und Märkte zu beruhigen, dann gelingt ihnen das derzeit
denkbar schlecht. Denn als wären die Probleme in Zeiten steigender
Schuldenquoten und sinkender Wachstumsraten nicht bereits groß genug,
sorgen die Regierungen für stetig neue Irrungen und Wirrungen.
Aktuelles Beispiel ist der Fahrplan für die Euro-Rettungsschirme.
Bisher ist geplant, dass der dauerhafte Notfonds ESM von Mitte 2013
an die Stabilität in Euroland schützen soll und bis dahin das
Provisorium EFSF in Kraft bleibt. Nun aber ist eine Debatte über
einen früheren Start des ESM entbrannt – auch durch Äußerungen von
Bundesfinanzminister Schäuble.
Gewiss, es lassen sich einige Argumente finden, die für ein
möglichst frühzeitiges Inkrafttreten des ESM sprechen. Erstens
besitzt der Dauer-Schirm eine robustere Grundlage, weil er auf
internationalem Recht fußt, nicht bloß auf luxemburgischem
Privatrecht. Zweitens ist sein organisatorisches Format näher an
einer Bank, da die Euro-Länder nicht bloß Garantien für den ESM
stellen, sondern auch „echtes Geld“ als Bareinlage. Deshalb könnte
der ESM vieles tun, was mit der EFSF verdammt schwierig werden dürfte
– gerade mit Blick auf die aktuellen Überlegungen, mehr Kapital zu
mobilisieren, indem der Fonds gehebelt wird. Drittens sieht der
Dauer-Schirm die berühmten CAC-Klauseln vor, die eine geordnete
Insolvenz eines Staats durch klare Regeln für die Gläubiger zumindest
vereinfachen.
Einem früheren Übergang auf den ESM stehen indes auch Hindernisse
im Weg. Die nötige Mini-Vertragsänderung müsste durch alle 27
nationalen Parlamente gepeitscht werden. Und die Regierungen müssten
bereits im Jahr 2012 Milliarden an den ESM überweisen. Vor allem aber
provoziert die Diskussion über den ESM-Fahrplan gerade jetzt
Irritationen, weil derzeit europaweit die umstrittene EFSF-Ausweitung
ratifiziert wird. Sie erweist sich als Debatte zur Unzeit, denn in
Brüssel und Berlin entsteht neue Unsicherheit. Ist, so fragen die
Kritiker, der Vorschlag nicht Beleg dafür, dass nicht einmal die
Verfechter einer erweiterten EFSF daran glauben, dass der Schirm groß
und stark genug ist, um drohenden Unwettern zu trotzen. Die
Kontroverse verstärkt die Ängste vor einem bevorstehenden Sturm und
sorgt für Unruhe. Eine Unruhe, die endgültig in Unverständnis
umschlägt, wenn es nun heißt, es gehe ja ohnehin nur um das Vorziehen
des ESM um einige Wochen. Wenn dem wirklich so ist, hätte sich die
Politik diese Diskussion sparen können.
(Börsen-Zeitung, 27.9.2011)
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