Börsen-Zeitung: Wer wem die Feder führt / Kommentar zu Bayers neuer Glyphosat-Strategie von Annette Becker

Elliott? „So heißt der Freund meiner Tochter,
mit dem hab ich neulich noch gesprochen. Sonst gibt es weiter nichts
zu vermelden.“ Mit diesen Worten hatte sich Bayer-Chef Werner Baumann
in der Bilanzpressekonferenz in einer witzigen Art des
Nichtantwortens auf die Frage nach dem Sinnen und Trachten des
Hedgefonds Elliott versucht. Diese Zeiten sind vorbei, wie alle Welt
seit spätestens Mittwochabend weiß.

Kündigte der mit tausenden Glyphosatklagen konfrontierte Konzern
zunächst an, die Prozessstrategie zu überarbeiten, innerhalb des
Aufsichtsrats einen Ausschuss einzurichten, der sich ausschließlich
mit diesem Themenkomplex beschäftigt, und sich für das
Kontrollgremium zusätzliche Rechtsexpertise extern einzukaufen,
meldete sich der Spiritus Rector der Idee kurze Zeit später zu Wort.

Ausdrücklich begrüßt der Hedgefonds Elliott die eingeleiteten
Maßnahmen. Nicht wortgleich, aber sinngemäß werden die einzelnen
Punkte beklatscht, so dass sich der interessierte Leser beinahe
fragt, wer wem beim Schreiben die Feder führte. Auch den Umfang des
Engagements, über das bis dato nur spekuliert wurde, bezifferte der
Fonds des berüchtigten US-Investors Paul Singer: Aktien und
vergleichbare Instrumente bringen es auf einen Gesamtwert von 1,1
Mrd. Euro, entsprechend einer Beteiligung von etwa 2%.

Allerdings machen die Aktionärsaktivisten auch unmissverständlich
deutlich, dass Bayer ein erster Aufschlag gelungen ist, der aber
bei weitem nicht ausreicht, um die Aktionäre zufriedenzustellen.
Unterstellt wird ein Wertsteigerungspotenzial von mehr als 30 Mrd.
Euro.

Kurzfristig, daran besteht auch für Elliott kein Zweifel, muss
Bayer die Glyphosatklagen vom Tisch bekommen. Doch so einfach ist das
nicht. Denn bevor Bayer in Vergleichsverhandlungen einzutreten
gedenkt, brauchen die Leverkusener zumindest ein Gerichtsurteil, das
zu ihren Gunsten ausfällt. Die drei bisherigen Verfahren wurden
verloren, wobei die Strafsumme mit jedem Urteil wuchs. Das erste
Berufungsverfahren, auf das Bayer alle Hoffnung richtet, startet
dagegen erst Ende des Jahres. So viel Geduld wird Elliott kaum
mitbringen.

Viel schwerer aber wiegt, dass die Mission der Aktionärsaktivisten
damit noch nicht beendet sein dürfte. Nicht ohne Grund wird vom
signifikanten Wert der einzelnen Geschäftseinheiten des Konzerns
geschwärmt, verbunden mit der Aufforderung, langfristige
Wertschöpfungsmaßnahmen zu prüfen. Von Aufspaltung ist keine Rede –
zumindest noch nicht.

(Börsen-Zeitung, 28.06.2019)

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