Börsen-Zeitung: Zielke liefert, Kommentar zur Commerzbank von Bernd Wittkowski

Aus Commerzbank-Chef Martin Zielke wird
vermutlich kein Rockstar mehr. Aber vielleicht muss man eine Bank in
diesen Zeiten auf eine Weise führen und repräsentieren, die mit
„sachlich“ und „unspektakulär“ noch wohlwollend beschrieben ist.
Selbstdarsteller an der Spitze von Großbanken, die ihr Haus und vor
allem sich persönlich im Glanz vermeintlich toller Zahlen und
Strategien erstrahlen ließen, hat man ja auch in Frankfurt schon
genug kommen und gehen gesehen. In Erinnerung blieb vor allem die
heiße Luft, die sie verbreitet haben.

Dann doch lieber ein solider Arbeiter, dessen vor Nüchternheit
strotzende Ankündigungen sich nicht alsbald als ungedeckte Schecks
erweisen. Zielke, seit Mai 2016 als Chef der Gelben im Amt, liefert.
Zum Beispiel neue Kunden. Das geht wie anderswo das Brezelbacken.
Arbeitstäglich hat die Commerzbank 2017 hierzulande, bei zuletzt
nachlassender Dynamik, netto 2000 Privatkunden gewonnen. Solche
Zahlen kannte man früher nur von der ING-DiBa. Die Akquisition kostet
zwar erst mal Geld – 150 bis 250 Euro pro Nase -, aber nach 18
Monaten soll sich das Investment in Werbung und Begrüßungsgeld
rechnen, und die Hausbankquote liegt bei hohen 50 Prozent. In Zeiten
steigender Kontopreise gilt in Deutschland offenbar nicht mehr
uneingeschränkt, dass eine Ehescheidung das wahrscheinlichere
Ereignis ist als das Ende einer Bankbeziehung.

Die hohe Wechselbereitschaft eröffnet der Commerzbank prima
Perspektiven. Lassen wir der Fantasie freien Lauf: Die neuen Kunden
bringen 2018 Mehrerträge, auf der Zinsseite winkt eher Ent- als
weitere Belastung, der Restrukturierungsaufwand von 808 Mill. Euro
entfällt, die Risikovorsorge sinkt wie prognostiziert unter 600 Mill.
Euro, das Schiffsportfolio ist fast bereinigt, die Kosten bleiben
stabil – so sehen Gewinner aus. Da wäre sogar der Wegfall der
außerordentlichen Erträge zu verschmerzen, die 2017 die schwarzen
Zahlen retteten. Was gegen diesen schönen, von den Investoren mit
viel Vorschusslorbeer honorierten Ausblick spricht: die Erfahrung,
dass fast immer irgendetwas dazwischenkommt, wenn bei der Commerzbank
einmal Anlass zur Hoffnung auf nachhaltig bessere Zeiten besteht.

Gleichwohl: Mit ihrem strategischen Umbau kommt die Commerzbank
erkennbar schneller voran als das blaue Nachbarhaus. Das
Technologieunternehmen gewinnt an Kontur. Apropos
Technologieunternehmen: Zielke muss ja nicht gleich auftreten wie zum
Beispiel ein John Legere von T-Mobile US. Aber bei aller soliden
Arbeit: Ein bisschen mehr Glamour könnte dann doch nicht schaden.

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