BRÜDERLE-Interview für die ?B.Z. am Sonntag?

BERLIN. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Rainer BRÜDERLE gab der „B.Z. am Sonntag“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte Ulrike Ruppel:

Frage: Herr Brüderle, wie wird das Berliner Wahlergebnis in der Fraktion diskutiert?

BRÜDERLE: Das Wahlergebnis ist eine herbe Niederlage, die die gesamte FDP als Weckruf versteht. Wir sind uns in der Fraktion einig: Wir müssen geschlossen auftreten und uns auf unsere Brot- und Butterthemen konzentrieren. Dann können wir auch das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen.

Frage: Wollten die Berliner die Bundes-FDP abstrafen?

BRÜDERLE: Die Berliner Wahl ist ja eine Mischung aus Kommunal- und Landtagswahlen, dabei wurde sehr lokalbezogen entschieden. Dann gab es diese starke Polarisierung zwischen Renate Künast und Klaus Wowereit. Und es gibt den Trend, dass die Wähler immer kurzfristiger, immer personenbezogener und mit Blick auf aktuelle Themen entscheiden. All das hat in Berlin eine Rolle gespielt, aber auch der Bundestrend.

Frage: Wie bewerten Sie den Erfolg der Piraten?

BRÜDERLE: Ich sehe darin ein allgemeines Protestverhalten gegen die etablierten Parteien und immer neue Gesetzesregelungen. Die FDP ist die Partei der Bürgerrechte. Wir nehmen diese Entwicklung ernst und werden uns verstärkt mit den Anliegen der Internetgemeinde beschäftigen. Allerdings habe ich als Liberaler Schwierigkeiten damit, Eigentum und Urheberrechte in Frage zu stellen, so wie es die Piraten tun.

Frage: Liegt es an der neuen Parteispitze, dass die FDP nicht aus dem Quark kommt?

BRÜDERLE: Politik ist ein Mannschaftsspiel. Wir gewinnen zusammen und wir verlieren zusammen. Die personelle Diskussion haben wir mit dem Rostocker Parteitag im Mai beendet. Wir beschäftigen uns jetzt wieder mit dem politischen Gegner.

Frage: Vielleicht halten die Wähler die neuen Gesichter für zu jung und unerfahren?

BRÜDERLE: Ich finde, wir haben eine gute Mischung aus Jungen und Erfahrenen, aus Männern und Frauen ? in der Partei und in der Fraktion.

Frage: Woran hapert es dann?

BRÜDERLE: Wir müssen uns in der Sacharbeit wieder mehr auf die Kernthemen der FDP konzentrieren und bei Bürgerrechten, Bildung und Sozialer Marktwirtschaft unsere klaren Positionen deutlich vertreten.

Frage: Aber auch unter Parteichef Philipp Rösler ging es immer nur um Steuersenkungen.

BRÜDERLE: Das sehe ich anders. Unser wichtigstes Thema ist zur Zeit die Stabilität des Euros und die Zukunft Europas. Dazu hat Philip Rösler einen wichtigen Beitrag geleistet.

Frage: Rösler fiel auf, als er laut über eine Insolvenz Griechenlands nachdachte.

BRÜDERLE: Klar ist: Europa darf nicht scheitern. Bei einer geordneten Insolvenz geht es darum, einem Unternehmen oder einem Staat durch Strukturveränderungen neue Chancen zu eröffnen. Wenn ein Land nicht willens oder langfristig in der Lage ist, die gemeinsamen Vereinbarungen einzuhalten, muss es Mechanismen geben, die Europa und den Euro schützen.

Frage: Die CDU hat daraufhin kurz vor der Berlin-Wahl auf den FDP-Chef eingeprügelt.

BRÜDERLE: Das Erstaunliche ist doch, dass Herr Seehofer in seinen Forderungen wesentlich weiter gegangen ist als Herr Rösler. Aber da höre ich keine Kritik.

Frage: Auch in Ihren eigenen Reihen gärt es. Einige Liberale kämpfen um einen Mitgliederentscheid gegen den ständigen Euro-Rettungsschirm.

BRÜDERLE: Wenn es zum Mitgliederentscheid kommt, wird es auch einen Antrag der Parteiführung geben, der den Gedanken betont, dass Europa eine Schicksalsgemeinschaft ist und die FDP sich zur Europapolitik in der Tradition Hans-Dietrich Genschers bekennt. Ich bin mir sicher, dass ein solcher Antrag eine breite Mehrheit findet.

Frage: Die meisten Ökonomen kritisieren die Rettungs-Strategie. Warum treibt sie die Politik trotzdem weiter?

BRÜDERLE: Es ist doch klar, dass ein solch wichtiges Thema kontrovers diskutiert wird. Aber die Diskrepanz ist nicht so groß, auch die weitaus meisten Ökonomen bekennen sich zum Euro. Die Politik muss darauf achten, dass sich Deutschland nicht isoliert und am Ende allein da steht. Wir müssen mit Anderen zusammenkommen. 2050 werden die USA und die EU etwa 10 % Prozent der Weltbevölkerung stellen. Wir wollen und brauchen Europa.

Frage: Und wozu braucht Deutschland die Liberalen?

BRÜDERLE: Weil es zwischen den sozialdemokratischen Umverteilern und den Konservativen einen weiteren Ansatz braucht. Wir Liberale wollen den Menschen mehr Freiräume geben. Es muss eine politische Kraft geben, die dafür sorgt, dass all das erwirtschaftet werden kann, was den Menschen zugute kommen soll. Das ist Soziale Marktwirtschaft. In Deutschland, wo es die Romantik immer leichter hatte als die Aufklärung, ist das besonders wichtig.

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