Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat sich
erstmals zu dem 489-Milliarden-Euro-Kredit geäußert, den die
Europäische Zentralbank vorige Woche den Banken zu einem Mini-Zins
von einem Prozent zur Verfügung gestellt hat. In einem Gespräch mit
dem Hamburger Magazin stern nannte Weidmann dies „eine ungewöhnliche
Maßname, auch in dieser Höhe“. Sie sei aber notwendig, um „den
Kreditfluss in die Wirtschaft in Gang zu halten“. Weidmann: „Es ist
eine Überbrückungshilfe für die Banken, die erst dann wieder
gefestigt dastehen können, wenn die Staatsschuldenkrise überwunden
ist.“
Gleichzeitig lehnte Weidmann in dem stern-Interview stärkere
Eingriffe der Notenbanken zur Lösung der Staatsschuldenkrise ab. Dies
würde die Stabilität der Währung infrage stellen und die Krise nur
verschärfen. Weidmann: „Staatsfinanzierung mit der Notenpresse würde
auf Dauer zulasten gerade der kleinen Sparer gehen, der Menschen mit
niedrigem Einkommen.“
Vordringlich sei, das Problem an der Wurzel zu packen und die
Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Weidmann: „Jeder Bürger weiß,
wenn man zu hohe Schulden hat, dann muss man den Gürtel enger
schnallen.“ In einer Währungsunion sei jedes Land für seine Finanzen
verantwortlich. Andernfalls wäre es möglich, sich auf Kosten anderer
zu verschulden.
Trotz der gegenwärtig schwierigen Lage sieht Weidmann „überhaupt
keinen Grund, in Panik zu verfallen“. Der Euro ist nach seinen Worten
stabiler als die D-Mark. Auch die Perspektiven für Deutschland seien
gut: Das Wachstum sei relativ robust, die Arbeitslosigkeit so niedrig
wie lange nicht. Dem stern sagte Weidmann: „Wir gehen davon aus, dass
die Einkommen der privaten Haushalte im kommenden Jahr um drei
Prozent steigen. Da kann man doch nicht so tun, als ob die Welt
untergeht.“
Verständnis äußert der Bundesbankpräsident für die
„Occupy“-Demonstranten vor der Frankfurter EZB-Zentrale: „Manche
Anliegen der Demonstranten sind ja durchaus berechtigt, etwa die
Forderung nach stärkerer Regulierung der Banken.“ Große Banken
müssten „strenger beaufsichtigt werden“. Generell habe die
Finanzkrise Defizite in unserem Wirtschaftssystem aufgezeigt – „von
der Regulierung der Finanzmärkte bis hin zur Frage der demokratischen
Legitimation bestimmter Entscheidungen“.
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