Castorzug: Neutronenmessung ergibt 480-fach erhöhte Strahlung / Greenpeace warnt die Polizei vor verharmlosenden Behördeninformationen

Greenpeace-Experten messen seit 10.23 Uhr am
Verladebahnhof in Dannenberg die Neutronen- und Gammastrahlung am
Castortransport. Die Messungen nach den ersten drei Behältern zeigen,
dass die Dosisleistung auch bei diesem Transport wieder hoch ist.
Selbst in einer Entfernung von etwa 14 Metern konnte Greenpeace noch
4,8 Mikrosievert pro Stunde nachweisen, über 480-mal mehr als die
wenige Stunden zuvor am gleichen Ort gemessene Hintergrundstrahlung
durch Neutronen. Die Gammastrahlung beträgt 2,3 Mikrosievert pro
Stunde, das ist 40-mal mehr als die Hintergrundstrahlung. Zwar liegt
die Strahlung damit vermutlich innerhalb der Grenzwerte. Die
Bewertung der Schädlichkeit von Neutronenstrahlung ist in der
Wissenschaft allerdings umstritten. Nach Einschätzung der
unabhängigen Umweltorganisation Greenpeace sind Grafiken der
Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, die den
Einsatzkräften als Datengrundlage für die Strahlenbelastungskurve zur
Verfügung stehen, bewusst verharmlosend.

„Die Polizei wird von den Behörden bewusst getäuscht“, so Heinz
Smital, Kernphysiker und Atomexperte von Greenpeace. „Die Berichte
der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) zur
Neutronenstrahlung sind grob manipulativ und verharmlosend. Das ist
fahrlässig, und in der Art der Verharmlosung symptomatisch. Die GRS
spielt hier mit der Gesundheit der Polizisten, die diesen Zug
begleiten müssen, und mit der Gesundheit der Bevölkerung. Wir warnen
die begleitenden Polizisten, sich dem Zug zu sehr zu nähern.“

In dem Bericht wird bei der grafischen Darstellung der
Dosisleistung, also der Messgröße für die Intensität der radioaktiven
Strahlung, mit zweierlei Maß gemessen. Die Grafik suggeriert eine
raschere Abnahme der Strahlung bei zunehmendem Abstand vom
Transportfahrzeug, als in der Realität gegeben. Bereits in einem
Abstand von einer Fahrzeugbreite nimmt die Strahlung laut Grafik
deutlich ab. Bei rund zwei Fahrzeugbreiten Abstand scheint das
natürliche Niveau erreicht zu sein. Dieser Eindruck wird dadurch
erreicht, dass Fahrzeuggröße und Abstand vom Fahrzeug in
unterschiedlichen Maßstäben dargestellt sind.

Darstellung des Strahlenrisikos manipulativ

„Radioaktive Strahlung sieht man nicht, man hört und riecht sie
nicht, trotzdem ist sie hochgefährlich“, so Smital. „Deswegen sieht
die Strahlenschutzverordnung auch vor, jegliche Strahlung selbst
unterhalb der Grenzwerte zu minimieren. Eine bloße Einhaltung von
Grenzwerten ist nicht mit Ungefährlichkeit von Strahlung
gleichzusetzen.“ Jeder der Castorbehälter enthält so viel
radioaktives Material, wie bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl
freigesetzt wurde. Der 100 Tonnen schwere Metallbehälter soll die
Umwelt vor dieser Strahlung schützen. „Unsere Messungen zeigen, dass
der Castor die Strahlung nur unzureichend abschirmt. Das muss jedem
klar sein“, so Smital.

In Wissenschaftskreisen ist es unstrittig, dass gerade für Frauen
die einzuhaltenden Grenzwerte deutlich niedriger angesetzt werden
müssen, was sich aber noch nicht in der Strahlenschutzverordnung
niedergeschlagen hat. Vorsorglich sollten daher keine weiblichen
Einsatzkräfte in der Nähe des Castors eingesetzt werden.

Bundespolizei verhinderte über Stunden erste Messungen in
Dahlenburg

In der Nacht hatten die Greenpeace-Experten erst nach einer
direkten Konfrontation mit der Bundespolizei eine erste
Neutronenmessung in Dahlenburg durchführen können. Einsatzkräfte der
Polizei hatten das Messteam zuvor über zweieinhalb Stunden massiv
daran gehindert, in dem niedersächsischen Ort die Strahlenbelastung
in einem Privathaus zu dokumentieren. Anwohner hatten Greenpeace
zuvor darum gebeten, die Belastung durch die Castorbehälter zu
messen, die nur wenige Meter vor ihrem Haus über Stunden abgestellt
waren. Die Polizei machte eine sachgerechte Messung aus dem Wohn-
oder Schlafzimmer des Hauses unmöglich. Messwerte konnten nur aus dem
Garten des Hauses mit einem ungünstigen Winkel gewonnen werden. „Das
Datenmaterial aus dieser Messung muss auf Grund der ungünstigen
Umstände von uns in Ruhe ausgewertet werden, um eine Vergleichbarkeit
zur Messung in Dannenberg herstellen zu können“, sagt Smital.

Achtung Redaktionen: Rückfragen bitte an Heinz Smital, Tel.
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