Nicht weniger als den „Weg zur besten Bildung“ wollen
SPÖ und ÖVP dem Land weisen. Dann wird alles gut. Oder doch nicht?
Die „beste“ Bildung deutet jedenfalls auf eine große Fallhöhe hin,
wenn man nationale und internationale Bildungsstudien damit
kontrastiert. Aber gut: schön, wenn eine Regierung hohe Ziele hat.
Das Problem dabei: Nicht alles, was großspurig verkauft wird und gut
klingt, ist auch wirklich eine große, substanzielle Reform. Das gilt
auch für das Sechs-Punkte-Programm, das die Regierung jüngst
vorgelegt hat.
Es ist Ausdruck der Spiegelfechterei, in der sich auch diese
teilrenovierte rot-schwarze Koalition eingerichtet hat. Das
bildungspolitische Programm ist in erster Linie ein Abwehrschirm
gegen die Qualen der Gesamtschuldebatte, mit der sich beide Parteien
schon lange das Leben schwermachen. Muss ja nicht sein, wir erklären
einfach ein anderes Thema zum wichtigsten: Fürderhin sollen die
Kleinsten in Kindergärten und Volksschulen die ganze Aufmerksamkeit
bekommen. Wer sollte da etwas dagegen haben? Es ist vor allem eine
lebensverlängernde Maßnahme für SPÖ und ÖVP in dieser
Regierungsperiode, für das Bildungssystem verlängert es das Warten
auf den notwendigen Schub. Es ist ein Ablenkungsmanöver von den
großen Problemen, wo es ans Eingemachte ginge, an die Strukturen, die
Ausbildungsgänge und Kompetenzzuständigkeiten. Lieber nicht
anstreifen. Das sollen die nach uns machen.
Nichts von den sechs Punkten (darunter Sprach- und Leseförderung,
mehr Schulautonomie und Bewegung, Qualität für ganztägige Schulformen
und Erwachsenenbildung) ist falsch oder schlecht. Aber es ist
Klein-Klein, aus Feigheit, dass es die Regierung bei den großen
Konfliktthemen zerreißen könnte. Abgesehen davon, dass die punktuelle
Fixierung auf die Zäsur Kindergarten/Volksschule fast schon einer
Pathologisierung dieses Übergangs im Kinderleben gleicht. So
traumatisch, wie hier insinuiert, ist dieser nur für die wenigsten
Kinder. Folgenschwer ist vielmehr das, was davor geschieht – oder
nicht. Hinter dem Spiegel lauern die eigentlichen Aufgaben, an die
man sich wegen der damit verbundenen Kettenreaktion nicht herantraut:
Wer Kinder gut gewappnet in die Schule schicken will, braucht zum
Beispiel bestens ausgebildete Elementarpädagoginnen, was man ihnen
verweigert. Dazu werden sie im Kompetenzwirrwarr zwischen Gemeinden,
Ländern und drei Ministerien (Bildung, Familie, Soziales)
hängengelassen.
Auch die widersprüchliche Exegese des eigenen Regierungsprogramms
von Schwarz-Grün in Vorarlberg lässt eine Flucht ins politische
Spiegelkabinett befürchten. Die ÖVP deutet schon an, die Sache mit
der gemeinsamen Schule in die Länge ziehen zu wollen. Es wird sich
zeigen, welche Lesart von „regionaler Schulversuch ,Gemeinsame
Schule“ für das kleine Land gilt. Wie klein darfs sein, um noch ernst
genommen zu werden? „Ermöglichen“ müsste diesen Versuch übrigens via
Ministerin die Bundesregierung – die aber am liebsten nichts mehr zu
tun haben möchte mit der Gesamtschule … Als Akt der
Spiegelfechterei darf jedenfalls die schwarz-grüne Tiroler PR-Aktion
gelten, die stolz verkündete, dass im Zillertal ein „Leuchtturm“
einer „Gesamtschulmodellregion“ realisiert wurde. Hilfreich war: Im
Zillertal gibt es kein einziges Gymnasium.
Das ist dann Spiegelfechterei in Reinkultur: der Kampf gegen einen
imaginären Gegner.
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