DER STANDARD-Kommentar: „Wünschen allein hilft nicht“ von Petra Stuiber

Ein wenig verwunderte der Auftritt des schwarzen
Ministerduos Sebastian Kurz und Sophie Karmasin in Sachen „zweites
Kindergartenjahr“ schon: Das ist „Koalition neu“, dass zwei Minister
aus dem ÖVP-Lager sich gemeinsam etwas wünschen, ohne die SPÖ vorher
zu informieren? Es wäre fair gewesen, die rote Bildungsministerin
Gabriele Heinisch-Hosek ins Boot zu holen. Zumal die schwarzen
Wünsche kaum in Erfüllung gehen werden, wenn das Bildungsressort
nicht mitzahlt.

Abgesehen davon und von der Tatsache, dass sich Kurz offenbar mit
sich selbst nicht ganz einig ist, ob das nun gratis sein soll oder
nicht: Der Vorsatz, ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr für
Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen einzuführen, ist
diskussionswürdig. Kurz Begründung leuchtet ein: Wenn ein Kind nicht
gut Deutsch sprechen kann, sind zwei Jahre Kindergarten mit
Sprachförderung besser als ein Jahr. Freilich greift der Minister
hier zu kurz – auch im Sinne des Koalitionspaktes. In diesem ist
wörtlich von der Behebung von „Sprach- und Entwicklungsdefiziten“ die
Rede.

Das bedeutet, dass offenbar beide Regierungspartner meinen, dass
es nicht ausreicht, nur „Sprachstandserhebungen“ bei den Drei- bis
Vierjährigen durchzuführen, die noch dazu teilweise qualitativ
fragwürdig sind, wie der Standard recherchierte. Die Fixierung auf
„Muttersprache oder nicht“ ist verkehrt: Es geht um die soziale
Situation der Kinder, ob sie behütet oder verwahrlost sind, daheim
gefördert oder vernachlässigt werden – ob ihre Eltern dabei deutsch
oder türkisch sprechen, ist sekundär.

Wenn Computer und Fernseher die persönliche Ansprache ersetzen,
ist es auch schon egal, in welcher Sprache geschwiegen wird. Wer sich
in Kindergärten und Volksschulen umhört, bekommt auch einen Eindruck
davon, dass manche Formen von Vernachlässigung sehr weit um sich
greifen: Viele Kinder können bis zum Schuleintritt (und weit darüber
hinaus) keinen Purzelbaum schlagen, nicht auf einem Bein hüpfen oder
auch nur einigermaßen mit Essbesteck umgehen.

Keine Bildungseinrichtung kann alles kompensieren, was in
Elternhäusern verbockt wird. Aber es ist gut, dass sich die Regierung
vorgenommen hat, allen Kindern ein Mindestmaß an Förderung
zuteilwerden zu lassen.

Allerdings bedarf es dafür wesentlich mehr als Absichtserklärungen
– und man muss deutlich fokussierter vorgehen. Warum nicht gleich ein
verpflichtendes zweites Kindergartenjahr für alle Kinder einführen,
unabhängig vom Förderbedarf? Dann würden die zusätzlich benötigten
Mittel wenigstens nicht in eine verkomplizierte Bürokratie fließen,
sondern direkt in den Ausbau der Kindergärten.

Es reicht auch nicht aus, die Kleinen lediglich zu betreuen – es
braucht mehr Sprachlehrer und gut ausgebildete Elementarpädagogen,
von Beginn an. Schade, dass das Regierungsprogramm zwar die
Wichtigkeit der Elementarpädagogik beschwört, aber wieder einmal auf
die (finanzielle) Gleichstellung der Kindergartenpädagoginnen mit
Pflichtschullehrern „vergessen“ hat.

Der Integrationsminister könnte gleich mit gutem Beispiel
vorangehen: Der 15a-Vertrag des Bundes mit den Ländern zur
Sprachförderung läuft mit Ende dieses Jahres aus. Kurz soll ihn
verlängern – und gleich ein paar Millionen Euro drauflegen.

Mehr Mittel, und das für alle Kinder, nicht ein bisschen für
einige wenige: Dafür sollte sich Kurz starkmachen.

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