Berlin – Der frühere deutsche Diplomat Manfred
Steinkühler hat dem Auswärtigen Amt vorgeworfen, sich jahrelang gegen
jede offene Aufarbeitung der Vergangenheit gesperrt zu haben.
Steinkühler, der 1991 aus dem auswärtigen Dienst ausschied – er war
zuletzt Generalkonsul in Mailand – sagte, er habe schon als junger
Beamter Mitte der 60er Jahre bemerken müssen, dass man „gut daran
tat, die NS-Herrschaft nicht zu thematisieren“. Neben Abwehr habe es
„anhaltende Versuche“ gegeben, jungen Kollegen deutlich zu machen,
dass der Dienst zwar Teil des Regimes gewesen sei, „dass dort aber
nichts als Widerstand geleistet worden war“, sagte Steinkühler in
einem Interview mit dem in Berlin erscheinenden Tagesspiegel
(Donnerstagausgabe). Immer wieder sei er auch später Kollegen mit
brauner Vergangenheit begegnet. Der aus Wilhelminismus und NS-Zeit
überkommene Corpsgeist sei nach der Neugründung des Amts 1951 „auf
das neue Ziel gerichtet“ gewesen, „die alten Plätze wieder
einzunehmen. Dafür mussten Tatvorwürfe konsequent abgewehrt werden“,
sagte Steinkühler. Steinkühler war an den deutschen Botschaften in
Rom, Paris und Bukarest tätig und in den Generalkonsulaten von Rio de
Janeiro und Mailand und gehörte in den 80er Jahren zum Leitungsstab
des Auswärtigen Amts. Er schied 1991 nach einer Kontroverse mit dem
Auswärtigen Amt vorzeitig aus dem Dienst. Als Generalkonsul von
Mailand hatte er sich zuvor geweigert, als offizieller Vertreter
Deutschlands am Volkstrauertrag auf dem deutschen Soldatenfriedhof in
Costermano bei Verona zu sprechen, nachdem er erfahren hatte, dass
dort prominente Beteiligte am Holocaust und am NS-Euthanasieprogramm
beerdigt waren. Ihre Namen waren auch in so genannten Ehrenbüchern
auf dem Friedhof verzeichnet. Das Amt und er seien sich einig
gewesen, dass mit ihm, so Steinkühler, „ein unüberbrückbarer Dissens“
über die Aufarbeitung der NS-Zeit bestand. „Im Auswärtigen Amt bin
ich damit bis heute ein Outcast.“
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