Berlin – Führende Sicherheitsberater der
Bundesregierung haben die Verhandlungen um ein „No Spy“-Abkommen
kritisiert und vor sicherheitspolitischen Folgen der zunehmenden
Digitalisierung gewarnt. „Die Verhaltensmuster der Verbraucher können
heute immer stärker kontrolliert und prognostiziert werden. Wir
kommen damit in eine Situation, wie sie Orwell in seinem Roman ,1984–
beschrieben hat“, sagte der Präsident der Bundesakademie für
Sicherheitspolitik (BAKS), Hans-Dieter Heumann, dem „Tagesspiegel am
Sonntag“. Es gebe eine schleichende Kontrolle.
„In den fünfziger Jahren hat man noch vor dem
militärisch-industriellen Komplex gewarnt. Heute gibt es einen
nachrichtendienstlich-industriellen Komplex, der gefährlich sein
kann, da Firmen das Verhalten der Kunden genau kennen und die
Nachrichtendienste direkten Zugang zu diesen Informationen über die
Firmen haben. Die Gefahr haben viele noch gar nicht wahrgenommen“,
warnte Heumann. Der NSA-Skandal sei so etwas wie die Stunde der
Wahrheit, denn er offenbare, wie unterschiedlich die Vorstellung über
die Rolle der Geheimdienste in Deutschland und den USA sei. „Während
in Deutschland Geheimdienste vor allem ein Instrument der Aufklärung
sind und die Dienste eher defensiv betrachtet werden, ist das in den
USA völlig anders. In Amerika sind Geheimdienste ein Instrument der
Außenpolitik und ein Mittel, um in anderen Ländern politischen
Einfluss auszuüben“, erklärte Heumann. Er kritisierte auch die
Verhandlungen zu einem „No Spy“-Abkommen. „Der Versuch, ein
bilaterales ,No Spy—Abkommen zwischen Deutschland und den USA
auszuhandeln, ist zum Scheitern verurteilt.“ Wichtiger sei, erst mal
in Europa Regeln für die Geheimdienste aufzustellen und dann
transatlantische Verhandlungen zu führen, keine bilateralen. Es gehe
bei diesen Verhandlungen um eine gemeinsame Wertegrundlage der
westlichen Welt.
Nach Auskunft des Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in
der Informationstechnik (BSI), Michael Hange, gibt es täglich etwa
2000 bis 3000 Angriffe auf das besonders geschützte Regierungsnetz.
Die allermeisten könnten abgewehrt werden. „Allerdings gibt es
täglich auch zirka fünf Angriffe mit so hohem technischen Niveau,
dass nachrichtendienstlicher Hintergrund zu unterstellen ist“, sagte
Hange dem Tagesspiegel. Das BSI beobachte auch kritische Webseiten.
Rund 20 000 Mal im Monat würden Behördenmitarbeiter vor einer Seite
gewarnt.
Hange rief dazu auf, besser vorzusorgen. Vor allem Smartphones
stellten ein Sicherheitsrisiko dar. Für den Regierungsapparat habe
das BSI nun entsprechende Verschlüsselungstechniken für Daten und
Sprache, die angewendet werden können. Hundertprozentige Sicherheit
könne es aber nicht geben. Auch die Wirtschaft müsse das Thema
Datensicherheit noch ernster nehmen, sagte der BSI-Präsident.
Immerhin sei die Nachfrage nach Verschlüsselungstechnologie in
Deutschland gestiegen – als Konsequenz aus dem NSA-Skandal. „Die
NSA-Affäre ist ein Fanal“, sagte Hange, aber sie habe das Bewusstsein
für die Risiken geschärft.
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