Deutsche Kinderhilfe zum angekündigten Kinderschutzgesetz: Möglicher Einstieg in einen besseren Kinderschutz – zeitnahe Verabschiedung gefordert

Der heute von Frau Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder angekündigte Entwurf eines neuen Kinderschutzgesetzes könnte den Einstieg in einen besseren Kinderschutz in Deutschland bedeuten.

Positiv hervorzuheben ist, dass es nun faktisch zu einer generellen Hausbesuchspflicht zur Abklärung einer Kindeswohlgefährdung kommen wird. Nicht nur die Fälle von Kevin und Lea Sophie, auch der tragische Tod der verhungerten Lara in Hamburg oder Sarah im bayerischen Ansbach im Jahr 2009 haben belegt, dass auch noch in jüngster Vergangenheit Jugendämter trotz klarer Hinweise keine Hausbesuche durchführen, obwohl dies unabdingbar für eine Einschätzung der Kindeswohlgefährdung ist. Auch verhindert das Gesetz wirkungsvoll das „Jugendamtshopping“, bei dem Eltern mit ihren Kindern gezielt den Wohnsitz wechseln, um der Betreuung durch die Jugendhilfe zu entgehen.

Das Kernproblem des deutschen Jugendhilfesystems ist nach wie vor, dass 600 Jugendämter und die zahlreichen freien Träger nicht nach einheitlichen Standards arbeiten. Weder bei der Diagnostik, noch bei der Wahl der Hilfen oder Maßnahmen gibt es verbindliche Standards. Das Kinderschutzgesetz stellt einen positiven Paradigmenwechsel dar, in dem insbesondere für den Bereich des Schutzes vor sexueller Gewalt Standards gesetzt werden. Dies ist nur ein Einstieg in ein weitgehend ungeregeltes Feld.

Wünschenswert ist jedoch mehr politischer Mut zu weiteren Verbindlichkeiten, etwa bei der Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses auch für ehrenamtliche Betreuer oder bei der Einführung einer Meldepflicht von Kindeswohlgefährdungen für Schulen. Dass selbst kleine Reformschritte erheblichen Widerstand provozieren, zeigte der organisierte Widerstand von Sozialverbänden und Kommunen gegen den letzten Entwurf des Kinderschutzgesetzes. Insofern ist der Anfang gemacht.

Bedauerlich ist, dass in dem Gesetz keine Befugnisnorm für Kinderärzte geschaffen wurde, sich interkollegial über einen Missbrauchsverdacht auszutauschen, bevor sie eine Meldung an das Jugendamt verfassen. Noch mehr als das „Jugendamtshopping“ ist das „Ärztehopping“ eine gezielte Strategie von gewalttätigen Eltern.

Ein Austausch von Ärzten über einen Diagnoseverdacht ist unabdingbarer Baustein eines funktionierenden Kinderschutzes vor Ort. Hier setzt die Deutsche Kinderhilfe auf das konkrete Gesetzgebungsverfahren, da mit einer entsprechenden Klarstellung konkret Kinderleben gerettet werden könnten.

Deutliche Kritik ist an dem Zeitplan der Ministerin zu äußern. Das Gesetz soll erst im Jahr 2012 in Kraft treten. Angesichts von 152 unter 14-jährigen Kindern (darunter 123 unter 6 Jahren), die im Jahr 2009 als Opfer von Gewalt und Misshandlung starben und mehr als 4.000 angezeigten Fällen von Kindesmisshandlung (Quelle: Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes, ausgewertet vom Bund Deutscher Kriminalbeamter und der Deutschen Kinderhilfe am 07.07.2010) besteht ein erheblicher Handlungsdruck. Die Deutsche Kinderhilfe appelliert an die politisch Verantwortlichen, das Gesetzgebungsverfahren nun zügig umzusetzen und das Gesetz noch 2011 in Kraft zu setzen.

„Auch wenn noch Verbesserungspotential in dem angekündigten Gesetz liegt, es ist nach Jahren der Untätigkeit der erste Schritt der Bundesregierung für einen besseren Kinderschutz in Deutschland. Dieser sollte nun endlich gegangen werden“, so Georg Ehrmann, Vorsitzender der Deutschen Kinderhilfe. Weitere Information zu dem Thema Kinderschutz in Deutschland gibt es auch auf dem Themenportal der Deutschen Kinderhilfe http://www.kinderschutz-in-deutschland.de/