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Deutsches Aktieninstitut e.V.: Finanzplatz
19.02.2013 / 08:00
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–Transparenzgebote ungeeignet, Verbraucherschutz in der Finanzbranche zu
stärken–
Uta-Bettina von Altenbockum, Finanzplatz
Karl Matthäus Schmidt ist Pionier und Regelbrecher in der Bankenbranche.
Der Vorstandsvorsitzende der quirin bank legt sich mit seinen provokanten
Thesen zum Provisionsbanking nicht nur mit den Großen seiner Zunft an. Ganz
bewusst hat er Quirin, den Lanzenträger auf dem Pferd, zum Namenspatron
seiner Bank gemacht. Der Reiter ist zum Sinnbild seines Kampfes für die
Honorarberatung geworden. Im Gespräch mit dem Finanzplatz bricht er eine
Lanze für die Honorarberatung, die Aktie und mehrökonomische Bildung an
Gymnasien.
Interview mit Karl Matthäus Schmidt, Vorsitzender des Vorstands, quirin
Bank AG, Mitglied im Deutschen Aktieninstitut
Herr Schmidt, war 2012 war für Banken ein schwieriges Jahr? Wie konnte sich
das Geschäft der quirin bank in diesem Umfeld entwickeln?
Wer das Jahr 2012 in der Bankenbranche Tag für Tag erlebt hat, der weiß,
dass es ein schwieriges Jahr war. Unverändert prägte die europäische
Schuldenkrise mit andauernden politischen Interventionen das Geschehen an
den Finanzmärkten. Hinzu kamen Kreditausfälle bei Banken, allgemeine
Konjunktursorgen und der andauernde Kampf um das Privatkundengeschäft. Da
der Gesetzgeber zudem die regulatorischen Daumenschrauben weiter anzog,
sahen sich viele Institute aufgrund des zusätzlichen Kostenaufwands zum
Stellenabbau gezwungen.
In diesem Umfeld konnte sich die quirin bank mit ihrem bisher
einzigartigen Modell der Honorarberatung – entgegen dem Branchentrend – gut
entwickeln und sowohl hinsichtlich Kunden als auch Vermögenswerten weiter
wachsen.
Die quirin bank betreibt seit 2006 Honorarberatung und betreut einen
Kundenstamm mit 8.700 Kunden. Wieso tun sich die Deutschen mit der
Honorarberatung so schwer? Wie wollen Sie die bis 2014 angestrebten 20.000
Kunden gewinnen?
Im Jahr 2006 haben wir in der Honorarberatung mit 700 Kunden begonnen.
Heute haben wir unsere Kundenzahlen inzwischen mehr als verzwölffacht. Das
verwaltete Kundenvermögen wurde auf 2,4 Milliarden Euro verfünffacht. Ich
finde, das sind Werte, die sich sehen lassen können. Ob und wann wir welche
Kundenzahlen erreicht haben, ist dabei nicht entscheidend. Entscheidend
ist, dass sich die Honorarberatung – auch durch die verstärkte Aufklärung
des Verbrauchers – langfristig durchsetzen wird. Da sind wir auf einem sehr
guten Weg, da wir kontinuierlich und nachhaltig weiter wachsen.
In den Medien haben Sie sich mehrfach für ein Verbot von Provisionen im
Finanzvertrieb stark gemacht. Wieso reicht es nicht aus, wie jetzt auf
europäischer Ebene vorgesehen, Transparenz bezüglich der erlangten
Provisionen zu erreichen und den Verbraucher entscheiden zu lassen? Wer
soll sich um die Kunden kümmern, die nicht die 50.000 EUR mitbringen, die
Sie als erforderliche Mindestsumme für die Honorarberatung nennen?
Zehn Jahre Transparenzvorschriften im Finanzdienstleistungsmarkt haben
nichts gebracht und auch verschärfte Transparenzgebote sind nicht geeignet,
den Verbraucherschutz in der Finanzbranche zu stärken. Dies hat eine Studie
zum Finanzmarkt in Großbritannien im Auftrag des Berufsverbands deutscher
Honorarberater ergeben. Großbritannien führt dementsprechend in diesem Jahr
ein flächendeckendes Provisionsverbot ein. Ich gehe davon aus, dass die
immer strenger werdende Regulierung auch in Deutschland in fünf bis zehn
Jahren zu einem Provisionsverbot, mindestens aber zu einer Einführung von
Nettotarifen für Finanzprodukte führen wird. Insofern rechne ich mit
steigenden Marktanteilen für die Honorarberatung, die sich mittelfristig
auf 15% bis 20% erhöhen sollten. Verstärkt wird dieser positive Trend durch
Initiativen auf europäischer Ebene im Rahmen der MiFID II,
Gesetzesinitiativen einzelner europäischer Länder sowie die strenge
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Sachen –Kick-back–, die ein
enormes Haftungspotenzial für Banken in sich birgt. Der Druck auf das
Provisionsmodell in Deutschland wird sich also weiter erhöhen.
Insbesondere standardisierte Online-Angebote auf Basis einer transparenten
Gebühr sind künftig geeignet, Anleger mit weniger Vermögen sinnvoll zu
betreuen. Dadurch können diese selbst entscheiden, wie viel ihnen eine
faire, kostentransparente und produktunabhängige Beratung wert ist.
Das Bundeskabinett hat Ende 2012 den Entwurf eines
Honoraranlageberatungsgesetzes beschlossen, in dem die Bezeichnung
Honorar-Anlageberater geschützt wird. Wird dieser Gesetzentwurf der
Honorarberatung in Deutschland Auftrieb geben?
Der neue Gesetzentwurf ist ein erster Schritt zu mehr Verbraucherschutz im
deutschen Finanzberatungsmarkt. Begrüßenswert ist hierbei, dass die
Honorarberatung erstmals begrifflich erfasst und definiert wird.
Präzisierungsbedarf besteht allerdings noch in Detailfragen. So ist es im
Sinne einer wirklich kundenorientierten Beratung von großer Bedeutung, eine
produktunabhängige, ganzheitliche Finanzberatung anzustreben. Diese umfasst
neben der Beratung zu Wertpapieren und Vermögensanlagen auch den Bereich
der Versicherungen, das Bausparen sowie Finanzierungen. Zweitens ist es
wichtig, dass auch provisionsbasierte Finanzdienstleister, zum Beispiel
Finanzvermittler, einer klaren Bezeichnungspflicht unterliegen, damit für
den Verbraucher erkennbar ist, ob es sich um provisionsabhängige
Vermittlung oder eine honorarbasierte Beratung handelt. Und schließlich
wäre die steuerliche Gleichstellung von Honoraren und Provisionen zu
regeln. Heute wirken sich Provisionen steuermindernd auf die
Abgeltungssteuer aus, Honorare dagegen nicht.
Das Deutsche Aktieninstitut hat in einer Ende letzten Jahres
veröffentlichten Studie zum Thema Produktinformationsblätter festgestellt,
dass sich Banken wegen der Pflicht, Kunden Produktinformationsblätter für
einzelne Aktien vorlegen zu müssen, zunehmend aus der Aktienberatung
zurückziehen. Wie schätzen Sie den Nutzen von Produktinformationsblättern
für den Kunden ein?
Ich halte den Nutzen von Produktinformationsblättern für begrenzt. Die
Produktinformationen sind häufig voller Fachbegriffe. Hinzu kommt ganz
generell dieÜberforderung des Anlegers mit Informationen: Das
–Kleingedruckte– in den Vertragsbedingungen verwirrt. Es sind zu viele
Informationen verfügbar, um eine Entscheidung zu treffen. Die angebotenen
Produkte sind oft kompliziert zu verstehen. Mehr Bürokratie macht weder die
Beratung besser noch nützt sie dem Anleger. Daher plädiere ich für einen
einfachen, aber effizienten Weg, um Anleger zu schützen: die
Beweislastumkehr. Im Zweifel muss die Bank beweisen, dass sie den Anleger
richtig beraten hat, und nicht der Anleger muss der Bank beweisen, dass er
falsch beraten wurde.
Was müsste Ihrer Meinung nach getan werden, um die Aktienakzeptanz in
Deutschland zu verbessern?
Leider begegnen Anleger in Deutschland der Aktienanlage nach wie vor mit
Skepsis, auch wenn Aktien aufgrund des aktuell niedrigen Zinsniveaus für
Festgeld fast als –alternativlos– erscheinen. Negative Erfahrungen sind für
den sicherheitsorientierten deutschen Anleger offenbar auschlaggebend und
nicht das langfristig attraktive Chancen-Risiken-Profil der Aktie. Leider
wird mit diesem Sicherheitsbedürfnis viel Unfug getrieben. So sind die
Deutschen mit 100 Milliarden Euro in oftmals riskanten Zertifikaten
investiert. Diese sind nichts anderes als Wetten mit Banken und daher
volkswirtschaftlich gesehen völlig nutzlos. Umso wichtiger ist es, in
breiten Schichten der Bevölkerung das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass
die Aktie ein Instrument des langfristigen Vermögensaufbaus und kein
–Zockerinstrument– ist. Durch entsprechende Bildungsangebote muss schon in
den Gymnasien damit begonnen werden,über die Funktionsweise der
Kapitalmärkte und der Börse aufzuklären. Aktien sollten als lohnenswertes
Investment in das Produktivkapital eines Wirtschaftssystems begriffen
werden.
Was bislang ebenso fehlt, ist ein klares politisches Signal für eine
positive Aktienkultur in Deutschland. Die Besteuerung von Kapitalerträgen
und Kursgewinnen im Rahmen der Abgeltungssteuer muss, gerade mit Blick auf
die Bedeutung der privaten Altersvorsorge, neuüberdacht werden. Eine
steuerliche Entlastung der Anleger würde die Bereitschaft zur Aktienanlage
erhöhen.
Ende der Corporate News
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