Frankfurter Neue Presse: EZB „Draghis Drahtseilakt“ Ein Kommentar von Panagiotis Koutoumanos

Hat er nun oder hat er nicht? Hat
EZB-Präsident Mario Draghi gestern bewusst durchblicken lassen, dass
er bereit ist, sich politischem Druck zu beugen und eine aktive
Wechselkurs-Politik zu betreiben? Wer dem Italiener schon bei dessen
Amtsübernahme misstraut hat und angesichts der Feuerwehr-Politik der
Notenbank in der Euro-Schuldenkrise davon überzeugt ist, dass Draghi
das Mandat der EZB viel zu großzügig definiert, dürfte nichts anderes
aus dessen Äußerungen herauslesen.

Zwar betonte der 65-Jährige die Unabhängigkeit der Währungshüter
und bekräftigte, dass Wechselkurse kein EZB-Ziel seien. Aber in
seiner Rede stellte Draghi den starken Euro als neuen
inflationsmindernden Faktor heraus, und er kündigte an, „wir wollen
sehen, ob die Aufwertung unsere Einschätzung der Risiken ändert“. Das
ist nicht nur von Kritikern des Präsidenten so interpretiert worden,
dass er dem politischen Druck nachgeben könnte.

Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass Draghi bereit ist, die
EZB in einen Währungskrieg zu führen. Dagegen spricht schon, dass der
EZB-Präsident bei einem solchen Feldzug aufgrund der
unterschiedlichen Interessen der 17 Mitgliedsstaaten keine vereinten
Truppen hinter sich hätte. Denn wo sollte das Wechselkursziel einer
EZB liegen? Müsste die Notenbank für einen Euro Kurs von 1,23 Dollar
kämpfen, der als fairer Wert für Frankreich gilt? Für die Marke von
1,19 Dollar der den volkswirtschaftlichen Struktur Italiens
entspräche? Oder müsste die EZB auf einem globalen Schlachtfeld der
Hochfinanz gar einen Kurs von knapp über einem Dollar im Visier
haben, den ein Krisenland wie Griechenland bräuchte, um
wettbewerbsfähiger zu werden?

Rein rechtlich könnten die Euro-Finanzminister der EZB ein
Wechselkursziel vorgeben. Aber dafür wird sich keine Mehrheit finden
lassen. Denn wie dem EZB-Präsidenten ist auch den meisten
Euro-Regierungen bewusst, dass die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit
eines Staates nicht über einen politisch gesteuerten Wechselkurs zu
sichern ist.

Heißt dies nun, dass die EZB nicht bereit wäre, die Zinsen
punktuell zu senken oder sich verstärkt der Notenpresse zu bedienen,
wenn sich die Konjunktur im Euroland wider Erwarten so weit
verschlechterte, dass es auf den Finanzmärkten zu Verwerfungen käme?
Das heißt es nicht. Und das ist es, was Draghi gestern erneut zum
Ausdruck brachte.

Natürlich hat Draghi dabei einen schwierigen Drahtseilakt zu
bewältigen, der ihm bei seinen Kritikern den Vorwurf der
Wortklauberei einbringen dürfte. Aber eine Geldpolitik, die sich
gegen die Fliehkräfte innerhalb der Währungsunion stellt und sich am
Ziel des integrierten europäischen Finanzmarktes orientiert, ist das
eine. Die Verfolgung eines Wechselkursziels, die die EZB zum Sklaven
der Geldpolitik in den USA und Japan machen würde und am Ende nur die
Währung Gold als Sieger hervorbrächte, etwas ganz anderes.

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