Frankfurter Neue Presse: zu Griechenland: „Aus Mangel an Alternativen“ Ein Kommentar von Panagiotis Koutoumanos

Überbewerten sollte man die
deutsch-französische Verständigung auf eine bloße freiwillige
Beteiligung der privaten Griechenland-Gläubiger nicht. Weder
politisch noch ökonomisch. Das Ergebnis dieses kleinen Gipfels stand
ohnehin schon fest. Merkel konnte gar nicht anders als einzuknicken.
Denn mit der Forderung nach einer tatsächlichen Beteiligung des
privaten Sektors hatte Deutschland nicht nur Frankreich gegen sich,
das um seine Banken bangt, sondern auch die Kapitalmärkte und die
EZB. Die Ratingagenturen hatten schon klar gemacht, dass sie jegliche
Gläubiger-Beteiligung, die über das Vorbild der „Wiener Initiative“
hinausgeht, als Zahlungsausfall bewerten würden. Und das hätte das
wackelige Konstrukt der Rettungshilfen unweigerlich zusammenbrechen
lassen.

So wird die Umschuldung derart mickrig ausfallen, dass sie die
privaten Gläubiger nicht schmerzen, Griechenland aber auch nicht
helfen kann. Die Euro-Zone hat sich damit lediglich wieder etwas Zeit
erkauft: Auf Basis dieses kleinsten gemeinsamen Nenners können nun
die Eckpunkte des zweiten Rettungspakets zeitnah festgelegt und die
zwölf Milliarden Euro fließen, die Griechenland vor der unmittelbaren
Pleite retten. Im Juli werden die Euro-Zone, die EZB und der IWF dann
das zweite große Rettungspaket für Griechenland schnüren – und den
Griechen dafür weitere Sparanstrengungen abverlangen. Alles in der
Hoffnung, dass das am Boden liegende Land in den kommenden Jahren ein
robustes Wirtschaftswachstum und einen Haushaltsüberschuss erreichen
und sich an den Kapitalmärkten zu vernünftigen Bedingungen
refinanzieren kann.

Dass die Kapitalmärkte daran nicht glauben wollen, ist klar. Aber
welche Alternative haben Europa und der IWF? Gleich einen harten
Schuldenschnitt vornehmen, wie FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer
Brüderle dies gestern öffentlich und damit fahrlässig empfohlen hat –
um beim Wähler endlich wieder punkten zu können? Nicht wenige
gewählte und selbst ernannte Experten befürworten diesen Schnitt.
„Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ lautet
ihr Credo. Und mit „Ende“ meinen sie das Ende von steuerfinanzierten
Rettungsgeldern aus dem Ausland. Dass es aber auch das Ende
Griechenlands wäre, ist ihnen offenbar nicht bewusst. Sie wollen
daran glauben, dass das Land damit seinen Schuldenberg deutlich
abtragen und sich so schneller berappen könnte. Am besten noch die
Drachme wieder einführen, dann klappt–s auch mit dem Export wieder,
heißt es.

Aber diese Vorstellung ist unter den derzeitigen Umständen
schlichte Realitätsverweigerung. Zunächst einmal: Griechenlands
Ausfuhren sind in diesem Jahr schon zweistellig gewachsen. Aber die
machen traditionell einen so kleinen Teil des Bruttoinlandsprodukts
aus, dass damit nichts gewonnen ist. Davon abgesehen: Die Bestände
griechischer Staatsanleihen in den Büchern der Athener Großbanken
belaufen sich auf rund 45 Milliarden Euro. Das ist das 1,6-Fache
ihres Eigenkapitals. Bei einem harten Schnitt wären die Banken sofort
pleite. Denn dann trügen die Griechenland-Anleihen auch noch den
Stempel „Totalausfall“, und die würde die EZB als Sicherheit für
Kredite ja nicht akzeptieren. Aber wie soll die griechische
Wirtschaft ohne Kredite auf die Beine kommen? Und bedenken wir, dass
in Griechenland nicht nur Banken, sondern beispielsweise auch
Pensionsfonds von einem harten Schuldenschnitt schwer getroffen
wären. Wie würde die öffentliche Reaktion wohl ausfallen, wenn das
Land nicht mal mehr Renten auszahlen könnte?

Nein. Einfach, einen harten Schuldenschnitt vorzunehmen, kann für
die Europäer derzeit keine Alternative sein – jedenfalls nicht, wenn
ihnen an der Gesundung Griechenlands gelegen ist. In Verbindung mit
der Einführung des Eurobonds wäre ein Schnitt zwar zu erwägen. Aber
der hat sich Deutschland ja hartnäckig widersetzt. Insofern mag man
den Versuch der Politik, sich mit Krediten immer mehr Zeit zu kaufen,
kritisieren. Aber solange sich keine vernünftige Alternative bietet,
muss das einen Versuch wert sein.

Pressekontakt:
Frankfurter Neue Presse
Chef vom Dienst
Peter Schmitt
Telefon: 069-7501 4407