FT: Flensburger Tageblatt

Angela Merkel steht vor ihrer größten
Bewährungsprobe. Die Situation ist vergleichbar mit Gerhard Schröders
Machtverfall im Sommer 2005. Die Vertrauensfrage vor dem Bundestag
begründete Schröder mit mangelndem Vertrauen auf seine eigene
Mehrheit. In dieser Parallelität kommt zum Ausdruck, dass die
Entfremdung zwischen Regierungschefs und ihrer Parteibasis an sich
nicht Merkel-spezifisch, sondern im Verschleiß des politischen
Tagesgeschäfts begründet ist. Doch fremdelte die
katholisch-südwestdeutsche Männerpartei CDU von Anfang an mit dem
Seiteneinstieg der ostdeutschen Protestantin. Besserwissereien von
Parteisenioren und Distanzierungen der beiden wichtigsten Männer im
Staate, nämlich Christian Wulff und Norbert Lammert, fallen deshalb
auf fruchtbaren Boden. Sie verdichten sich zu einem bedrohlichen
Szenario. Prominentere Kronzeugen können sich Merkels
Fraktionskritiker nicht wünschen. Die Personalpolitik der Chefin, die
systematische Ausschaltung möglicher Konkurrenten, lässt ihr
Aufbegehren allerdings riskant erscheinen. Selbst härteste CDU-Gegner
äußern sich ratlos auf die Frage nach der Alternative. Aber wenn
Angela Merkel rasch ihre Kommunikationsschwäche überwinden, sich
besser verständlich machen und trotz ihrer Sprödigkeit mehr Vertrauen
gewinnen könnte, hätte sie durchaus noch die Chance des Machterhalts.
Aber es wird ein harter Kampf.

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