Der Nachgeschmack ist bitter. Da rettet die Nato
die Rebellen im libyschen Misrata in letzter Minute vor einem
Massaker, bombt ihnen anschließend den Weg frei nach Tripolis für den
Sturz des Despoten und dann diese ernüchternde Nachricht: Das neue
Regime erhebt das islamische Gesetz, die Scharia, zur Grundlage des
gesamten Rechts im neuen Libyen. Und damit alle es verstehen, erklärt
Mustafa Abdul Dschalil, der Vorsitzende des Übergangsrates, dass
alle anderen Gesetze, die mit der Scharia nicht übereinstimmen,
ungültig seien, mithin auch die Ehegesetze, so dass also jeder Mann
in Libyen künftig vier Frauen haben dürfe. Die Scharia ist kein
Gesetz für freie Menschen. Auch in Tunesien und Ägypten haben die
islamistischen Kräfte jetzt Oberwasser. Und keinen Zweifel gibt es,
dass auch in Syrien, Jemen, Jordanien und am Golf die Islamisten ihr
Gesetz dem Volk aufzwingen würden, wenn sie könnten. Die Arabellion
ist in ihrer zweiten Phase. Nach dem klassischen Muster großer
Revolutionen, wie etwa Frankreich oder Russland sie erlebten, kommt
nach dem Sturz des feudalen oder diktatorischen Regimes die Despotie
der reinen Lehre, nicht selten begleitet vom Terror. Es sei denn, die
Ideologen passen sich, geleitet von pragmatischer Vernunft, der
Wirklichkeit der Menschen an. Das wird noch abzuwarten sein in
Nordafrika. Sicher aber ist: Für die Scharia sind die jungen Leute
nicht auf die Straße gegangen, haben sie sich nicht verprügeln und
foltern lassen. Sie wollten Freiheit, nicht das Zwangssystem der
Scharia mit seinen Strafen der Verstümmelung, Steinigung und
Versklavung der Frau.
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