FZ: Die Welt ist ein Stück sicherer Kommentar der Fuldaer Zeitung zu Gaddafi

Auch am Ende seiner Tage war der schillernde Oberst
für eine Überraschung gut: Gaddafi hatte sich nicht, wie viele
vermuteten, längst ins sichere Ausland abgesetzt, um der ihm in
Libyen unweigerlich drohenden Strafe zu entgehen. Irgendwo in Afrika,
im Nachbarland Algerien zum Beispiel, wo ein Teil seiner Familie
aufgenommen wurde, oder im Niger oder in Burkina Faso hätte er mit
seinen Milliarden noch ein paar Jährchen gut in seinem Beduinenzelt
leben können. So wie Tunesiens aus dem Amt gejagter Staatschef Ben
Ali, der in Saudi-Arabien ein neues, luxuriöses Zuhause gefunden hat.
Doch Gaddafi blieb, als er längst von der Macht vertrieben war, in
seiner Heimat – genau, wie er es immer wieder angekündigt hatte. Auch
das ein Zeichen für die pathologische Verblendung des exzentrischen
Ex-Staatschefs. Offenbar glaubte er selbst im Moment der
unumkehrbaren Niederlage noch immer daran, das Rad zurückdrehen und
wieder regieren zu können – eine Krankheit, unter der alle Diktatoren
zu leiden scheinen. Was nach dem Tod Osama bin Ladens gilt, kann bei
Muammar al-Gaddafi wiederholt werden: Ohne ihn ist die Welt ein
Stückchen sicherer als mit ihm. Der grausame Herrscher aus Tripolis
war über vier Jahrzehnte lang einer der schlimmsten Verbrecher in
einem Staatsamt. Er hat nicht nur sein eigenes Volk ausgebeutet und
geknechtet. Er ließ Oppositionelle foltern und töten, finanzierte
Terrorgruppen wie die IRA und zog die Fäden bei Terroranschlägen –
der folgenschwerste war das Lockerbie-Attentat 1988. Es gehört zu den
schmutzigen Kapiteln der westlichen Politik, dass Gaddafi in den
letzten Jahren in den meisten Hauptstädten rehabilitiert wurde und
viele Hände schütteln durfte – die von Kanzler Schröder genauso wie
die von Blair, Berlusconi oder Putin. Die, die im Westen gestern laut
über das Ende Gaddafis jubelten, haben im Grunde kein Recht dazu.
Gaddafi lieferte Öl, Gaddafi verhinderte Flüchtlingsströme in die EU
– und war damit ein angenehmer Partner. Dass Deutschland im Frühjahr
dieses Jahres nicht einmal bereit war, im UN-Sicherheitsrat für einen
Nato-Einsatz zur Unterstützung der Aufständischen zu stimmen, ist ein
weiteres unrühmliches Kapitel in der deutschen Libyen-Politik und hat
die Bundesrepublik international isoliert. Ohne die Hilfe von
Nato-Soldaten hätten die Rebellen den Sturz des Diktators vermutlich
nicht geschafft. Nun ist der Weg in Libyen endgültig frei für einen
Neuanfang. Dass dieser genauso steinig sein wird wie in Tunesien oder
Ägypten, ist zu erwarten. Der Wüstenstaat weist keine homogenen
Bevölkerungsstrukturen auf, was die Bildung einer Regierung in dem
vom Gaddafi-Clan geschundenen Land nicht gerade leicht machen wird.
Der Westen ist den Libyern etwas schuldig – und muss die, die den
Diktator gestürzt haben, nun nach Kräften unterstützen. / Bernd
Loskant

Pressekontakt:
Fuldaer Zeitung
Bernd Loskant
Telefon: 0661 280-445
Bernd.Loskant@fuldaerzeitung.de

Weitere Informationen unter:
http://