Das Grundproblem auf dem Weg zu stabilen
Verhältnissen ist 82 Tage nach der Wahl nicht beiseite geschafft: Die
Wahlverlierer tun so, als seien sie auserkoren, eine Regierung zu
bilden, und sehen offenbar keinen Grund abzutreten. Doch auserkoren
von wem? Vom Christkind? Vom Wähler jedenfalls nicht. Weder Angela
Merkel noch Horst Seehofer noch Martin Schulz werden den Neuanfang,
den die Republik dringend bräuchte, ins Rollen bringen. Vom
Wahlergebnis gelähmt, inhaltlich zu unbeweglich, ängstlich vor der
eigenen Partei, lasten die drei als schwere Hypotheken auf den nun
anstehenden Verhandlungen.
Blicken wir zunächst auf die SPD: Totgesagte leben länger – und
Tote offenbar noch länger. Als wäre nichts gewesen, als hätte Schulz
die einst so stolze Partei von Bebel und Liebknecht nicht an den Rand
des Untergangs geführt, wählen ihn die Genossen mit einer satten
Mehrheit von 82 Prozent erneut zu ihrem Vorsitzenden. Wo bleibt die
Einsicht, dass die Wähler ihn nicht als Kanzler wollten? Einen
personellen Neuanfang nach einer solch beschämenden Niederlage zu
verweigern, spricht für die Realitätsverweigerung des Umfallers, der
staatsmännisches Verantwortungsbewusstsein vorgaukelte, um nach
seiner Totalverweigerung nach der Wahl die Rolle rückwärts beim
Eintritt in Sondierungsgespräche zu erklären. Offenbar hört sein
Verantwortungsbewusstsein genau da auf, wo es um ihn selbst, Ämter
und Pöstchen geht. Statt wie gestern in grimmigem Ton Bedingungen für
eine mögliche Koalition zu diktieren, sollte er der Partei und dem
Land einen Dienst erweisen und den Weg freimachen für einen
Nachfolger.
Doch die Partei scheint lieber geschlossen unterzugehen, als gegen
Schulz aufzustehen. Nur Sigmar Gabriel soll dem Vernehmen nach gegen
Schulz rebellieren, doch der ehemalige SPD-Chef wird sich hüten, ein
zweites Mal den Hut in den Ring zu werfen. Liegt das Festhalten an
Schulz also vielleicht eher daran, dass es in der SPD derzeit keine
charismatischen Köpfe gibt, die bereit stünden, das Ruder zu
übernehmen?
So scheint es jedenfalls bei der Union zu sein. Mit derselben
Realitätsferne wie Schulz klebt die Kanzlerin und CDU-Chefin an ihren
Ämtern, ohne dass sie irgendjemanden fürchten muss, der an ihrem
Stuhl sägt. Konsequenzen aus dem Wahldebakel wurden bisher nicht
gezogen. Merkel sieht sich als rechtmäßige Architektin einer neuen
Regierung: „Weiter so!“ Das Manko der Union: Merkel hat alle, die
ihr hätten gefährlich werden können, in den vergangenen Jahren
kaltgestellt oder abgesägt. Und die Generation von Jens Spahn traut
sich den Putsch noch nicht zu.
Solange sie selbst nicht erkennt, dass ihre Zeit vorbei ist, gibt
es also nur eine Regierung unter Merkels Führung. Und da sie partout
keine Minderheitsregierung oder eine „Kooperationskoalition“ will
(wohl auch aus der Angst heraus, dass sie bei so mancher Entscheidung
die Stimmen der AfD erhielte), sind die Möglichkeiten begrenzt.
Ohne Schulz und Merkel wären aktuell die Chancen für eine stabile
Regierung und damit für das Land besser. Solange das die handelnden
Personen nicht wahr haben wollen, wird die Regierungsbildung eine
Hängepartie bleiben. / Bernd Loskant
Pressekontakt:
Fuldaer Zeitung
Bernd Loskant
Telefon: 0661 280-445
Bernd.Loskant@fuldaerzeitung.de
Original-Content von: Fuldaer Zeitung, übermittelt durch news aktuell