FZ: „Eine vernünftige Basis“ Kommentar der „Fuldaer Zeitung“ (Freitag, 23. März 2012) zur Reform des Transplantationsgesetzes/Organspende

Solche Debatten haben leider Seltenheitswert im
Bundestag: Quer über Parteigrenzen hinweg diskutierten gestern
Parlamentarier engagiert und ernsthaft über ein Thema, das jeden
betreffen kann, auch wenn man es noch so gerne verdrängen möchte: die
Organspende. Ähnlich wie bei der Debatte über die
Präimplantationsdiagnostik sind Beobachter wieder schnell bei der
Hand gewesen, von einer „Sternstunde des Parlaments“ zu schwärmen.
Das ist sicher übertrieben, aber gleichzeitig stimmt es auch traurig,
dass es offenbar erst solcher moralisch komplexer Themen bedarf, dass
die Abgeordneten einmal aus ihren juristisch rundgeschliffenen
Parteistanzen ausbrechen (dürfen), die längst zum Ritual gewordenen
gehässigen Seitenhiebe auf den politischen Gegner beiseite lassen und
stattdessen mit emotionaler Anteilnahme und echter Leidenschaft für
eine Sache argumentieren. Dass ein Politprofi wie SPD-Fraktionschef
Frank-Walter Steinmeier seine persönliche Betroffenheit beim Thema
Organspende öffentlichkeitswirksam ins Spiel bringt, mag man ihm in
diesem Fall nachsehen. Inhaltlich schafft der parteiübergreifende
Antrag zur Reform des Transplantationsgesetzes eine vernünftige
Basis. Gewiss: Menschen, die gerade verzweifelt auf ein Spenderorgan
warten, hätten sich sicher gewünscht, dass der Entscheidungsfreude
potenzieller Organspender mit mehr Druck auf die Sprünge geholfen
würde. Aber die Bedenken der Gegenseite haben ebenfalls Gewicht: In
einer solch sensiblen Frage darf es keine Art von Zwang geben.
Niemand darf sich gedrängt fühlen, etwas zu unterschreiben, was
seinen religiösen Überzeugungen oder Empfindungen widerspricht oder
er vielleicht nicht bis zum Ende durchdacht hat. Der Gedanke, dass
dubiose Organhändler und Geschäftemacher überstürzte Entscheidungen
verunsicherter Patienten oder Angehöriger ausnutzen könnten, ist
unerträglich. Deshalb ist so wichtig, was künftig im Gesetz stehen
wird: Jeder muss sich mit dem Thema Organspende auseinandersetzen –
und sei es, dass er das Schreiben der Krankenkasse am Ende
durchreißt. Die Beschäftigung mit dem Thema an sich ist schon ein
Wert – vor allem dann, wenn sie dazu führt, sich auch mit verwandten
Bereichen wie etwa der Patientenverfügung zu befassen. Und zwar
rechtzeitig, bei klarem Verstand und ohne dass ein Arzt, ein
Angehöriger, eine Krankenkasse oder sonstwer dem Betreffenden
hineinredet.

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