Ich kann und will es nicht mehr hören: Als im Januar
2015 die „Charlie Hebdo“-Redaktion angegriffen wurde, weinte die Welt
Trauertränen und solidarisierte sich im Slogan: „Je suis Charlie“.
Dann, ein paar Monate später, waren wir alle Paris, kürzlich Orlando.
Jetzt Nizza: „Je suis Nice.“ Und morgen vielleicht Berlin oder
Frankfurt?
Mit der Verbrüderung in sozialen Netzwerken kaschieren wir doch
nur unsere Ohnmacht. Der Terror hat mal wieder seine hässliche Fratze
gezeigt, wir zucken kurz und gehen zur Tagesordnung über – in der
Hoffnung, dass schon nichts passieren wird, wenn wir in den nächsten
Tagen nach Frankreich, Italien, Spanien oder in die Türkei fahren. So
haben die Opfer von Nizza wahrscheinlich auch gedacht, als sie an der
Strandpromenade unbeschwert den französischen Nationalfeiertag
feierten.
Wir wissen bislang nicht, ob sich der Täter – wie die Terroristen
bei vielen anderen Anschlägen der vergangenen Monate – von der
perversen Ideologie des IS berauschen ließ. Dazu passen würde das
Vorgehen des 31-Jährigen. Die Grundsatzfrage aber ist immer die
gleiche: Was löst bei jungen Männern einen solchen Hass aus, dass sie
andere Menschen wahllos niedermetzeln, die nichts getan haben außer
das Leben nach unseren Werten zu leben – und nicht im Mittelalter
stehen geblieben sind?
Auch wenn die Strategie solcher Himmelfahrtskommandos wie in Nizza
uns wenig Möglichkeiten lässt, sie zu stoppen: Wir dürfen uns nicht
damit abfinden, dürfen nicht nach ein paar Wochen zur Tagesordnung
übergehen. Der Hass, der sich in Frankreich Bahn bricht, hat seine
Ursachen zweifellos in einer völlig verfehlten Einwanderungs- und
Integrationspolitik. Wenn Fremde auch nach Jahrzehnten noch in
Ghettos leben, wenn jeder vierte junge Mensch keinen Job hat, dann
bereitet das den Boden für Terror – zunächst in der Fantasie, dann in
der Realität. Dass es ein Attentäter schafft, mit einem Lkw in einen
abgesperrten Bereich wie eine Strandpromenade zu kommen, wirft zudem
Fragen nach dem Zustand der Sicherheitskräfte auf.
Was in Frankreich passiert, muss nicht länger nur Mahnung sein,
sondern Anlass, endlich zu handeln. Integration heißt doch auch bei
uns längst nicht das, was es heißen müsste. Der laxe Umgang mit dem
Thema Einwanderung wird auch in Deutschland Taten von Extremisten
nicht verhindern. Viel zu unentschlossen geht der Staat gegen
Radikale aller Art vor, genauso unentschlossen wie der Westen im
militärischen Kampf gegen den IS. Wer sich in Europa umschaut, der
merkt, wie sich hier etwas zusammenbraut: Einwanderer gehen auf die
Barrikaden, weil sie nicht das finden, was sie erwartet haben. Da
hilft es herzlich wenig, wenn wir uns gefühlsduselig in den Armen
liegen und „Je suis …“ rufen. / Bernd Loskant
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