Hat Angela Merkel ihren Hals nochmal aus der
Schlinge gezogen und durch Verhandlungsgeschick ihr politisches
Überleben gesichert? Auf den ersten Blick taugen die Ergebnisse des
Gipfels von Brüssel dazu, den Koalitionspartner CSU zu besänftigen.
Merkel hat ihr „Wir schaffen das!“ aufgegeben und sich – freilich
unter größtem innenpolitischen Druck – eingereiht in die größer
werdende Schar von EU-Staaten, die „Es reicht!“ sagen. Der
Gipfelbeschluss räumt den Staaten, ganz im Sinne Horst Seehofers,
nationale Maßnahmen an den Grenzen ein, gibt grünes Licht für die von
ihm geforderten Ankerzentren, und auch zwei Rückführungsabkommen, die
den „Asyltourismus“ nach Deutschland eindämmen sollen, hat die
Kanzlerin mit nach Berlin gebracht.
Taktisch ein Merkelsches Meisterstück, denn Seehofer wird es sich
angesichts dieser (zugegebenermaßen minimalen) Fortschritte in der
europäischen Asylpolitik kaum leisten können, die Kanzlerin weiter
mit Drohungen unter Druck zu setzen. Wie lassen sich jetzt noch
Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze rechtfertigen, wenn
dadurch nicht nur das Gipfelergebnis Makulatur, sondern auch ein
neuer Streit mit Seehofers Verbündetem Sebastian Kurz entfacht würde?
Der österreichische Bundeskanzler hat bereits angekündigt, auf eine
solche Maßnahme mit der Schließung der Grenze zu reagieren – für
Seehofer ein Fiasko.
Es sieht also ganz danach aus, als hätten die Kontrahenten in
Berlin und München wieder einmal die Kurve gekriegt, wie schon so oft
in der Vergangenheit. Wie viele Male hatte Seehofer damit gedroht,
die Bundesregierung wegen der offenen Grenzen vor dem
Bundesverfassungsgericht zu verklagen, ohne es dann tatsächlich wahr
zu machen. Immerhin: Jeder Bluff trieb die Kanzlerin ein Stückchen
mehr in die Enge – und am Ende lächelten beide wieder gemeinsam in
die Kameras.
Aber niemand sollte sich zu früh freuen: Abgesehen davon, dass die
Regierung (noch einmal) gerettet zu sein scheint, ist das Ergebnis
von Brüssel ein Formelkompromiss, der nicht einmal ansatzweise dazu
taugt, das Asylproblem in den Griff zu bekommen. Bei näherer
Betrachtung bleibt vieles, was vereinbart wurde – auch das ist
typisch für die Politik der Bundeskanzlerin -, diffus und vage: Die
EU-Staaten bleiben in zentralen Fragen der Asylpolitik zerstritten.
Das Abschlussdokument enthält eine Menge von Absichtserklärungen,
deren Umsetzung in den Sternen steht. Geschlossene Auffangzentren in
Nordafrika? Wo die entstehen sollen, weiß keiner. Die gerechte
Aufteilung von Flüchtlingen auf alle EU-Staaten? Nur auf freiwilliger
Basis, was die Visegrád-Staaten direkt dazu veranlasste, nochmal auf
ihre harte Haltung zu pochen.
Echte Lösungen sehen anders aus. Die Europäische Union tritt auf
der Stelle, wie bei so vielen anderen Themen auch. Kein gutes Zeichen
für die Reformen, die dringend notwendig sind. Dass die
österreichische EU-Ratspräsidentschaft, die am Sonntag beginnt, die
Staaten ein Stückchen mehr zusammenbringt, ist kaum zu erwarten. /
Bernd Loskant
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