FZ: Mehr Seehofer, weniger Merkel? Kommentar der „Fuldaer Zeitung“ (17.3.2018) zu Seehofer/Islamdebatte

Nicht schon wieder, wollte es einem gestern
entfahren, als die „Bild“-Titelseite zur Hälfte aus der Schlagzeile
„Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ bestand, diesmal (übrigens
wie schon oft zuvor) ausgesprochen von Horst Seehofer. Die Debatte
ist bis zum Erbrechen geführt, seit Innenminister Schäuble 2006 und
Bundespräsident Wulff 2010 mehr oder weniger das Gegenteil
behaupteten. Alles eine Definitionssache: Dass Muslime zu
Deutschland gehören, das sieht jeder, der durch Innenstädte spaziert,
vorbei an Moscheen und orientalisch-gastronomischen Betrieben. Dass
der Islam historisch nicht zu Deutschland gehört und das Land durch
und durch geprägt ist von unserer christlich-abendländischen Kultur,
ist ebenso eine Binsenweisheit. Warum also holt Seehofer an seinem
ersten Arbeitstag als Heimatminister ohne Not wieder die Islamkeule
raus – und warum hat die Kanzlerin nichts Eiligeres zu tun, als ihm
zu widersprechen?

Die simpelste Analyse: Seehofer wollte seinem Rivalen Söder just
in dem Moment, als dieser zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählt
wurde, die Schau stehlen und zeigen, wer der Herr im Hause CSU ist.
Doch man darf in Seehofers Äußerung durchaus mehr
hineininterpretieren: Die konservativste Stimme der neuen
Bundesregierung erhebt sich, noch bevor die Arbeit in den Ministerien
richtig begonnen hat. Der CSU-Chef poltert, provoziert und penetriert
mit seinem Debüt die Kanzlerin. Das lässt für die Zusammenarbeit der
beiden im Berliner Wahlverlierer-Bündnis nichts Gutes erahnen.
Konflikte, die die Kanzlerin bislang als Scharmützel aus der weit
entfernten bayerischen Provinz herunterspielte, müssen jetzt auf der
großen Berliner Bühne ausgetragen werden.

Da könnte sich der Koalitionsvertrag, in vielen Bereichen
schwammig formuliert, noch als Mine erweisen. Beispiel
Flüchtlingspolitik: Während die CSU die Obergrenze definiert sieht,
verweisen SPD und Teile der CDU auf nach wie vor vorhandene
Spielräume. Auch die Tatsache, dass Seehofer in seinem Berliner
„Superministerium“ 98 neue Planstellen bekommt, gibt einen
Vorgeschmack auf das, was die Innenpolitik der nächsten Jahre
kennzeichnen wird: mehr Seehofer, weniger Merkel. Bleibt die Frage,
ob die SPD das mitmacht. / Bernd Loskant

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