FZ: „Profilierte Köpfe sind rar“ / Pressestimme der „Fuldaer Zeitung“ (Dienstagausgabe, 16. November 2010) zum CDU-Parteitag in Karlsruhe

Parteitagsdelegierte haben keinen leichten Job:
Machen sie aus ihrem Herzen keine Mördergrube und votieren so, wie
vielleicht gerade die Stimmung in ihrem Orts- oder Kreisverband ist,
riskieren sie ein desaströses Bild der Partei nach außen. Bleiben
aber alle Abgesandten „auf Linie“ und äußern ihren Groll allenfalls
hinter vorgehaltener Hand beim Delegiertenabend am Tresen, dann
entstehen Abstimmungsergebnisse im 99-Prozent-Bereich wie einst in
der DDR – die ebenfalls wieder die Spötter und Argwöhner auf den Plan
rufen. So gesehen hat die CDU-Basis bei den Vorstandswahlen gestern
in Karlsruhe, sozusagen in kollektiver Intelligenz, sehr schlau ihre
Stimmkärtchen gezückt. Heraus kam ein leichter Dämpfer für
Bundeskanzlerin Angela Merkel – aber beileibe kein Schuss vor den
Bug, wie er angesichts der historisch schwachen Umfragewerte für die
CDU vielleicht menschlich nachvollziehbar gewesen wäre; dazu kamen
ein wohlwollender Schulterklopfer für den ehrgeizigen Umweltminister
Norbert Röttgen, ein freundlicher Knuff in die Seite für
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen und für Hessens
Ministerpräsident Volker Bouffier – sowie eine ziemliche Ohrfeige für
Forschungsministerin Annette Schavan. Letztere musste offenbar
ausbaden, dass die neue Führungsriege aus Sicht vieler traditioneller
CDU-Anhänger keineswegs ausgewogen besetzt ist: Gleich drei
ausgewiesenen Merkel-Fans und Berliner Kabinettsmitgliedern (Röttgen,
Leyen und Schavan) steht nur ein Landespolitiker und Vertreter des
konservativen Flügels (Bouffier) gegenüber. Das schürt nicht nur für
Außenstehende den fatalen Eindruck, die Partei sei der verlängerte
Arm des Kanzleramts – und nicht eine plurale und föderale
Organisation. Doch wer sonst hätte ins engere Führungsteam rücken
sollen? Der Saarländer Peter Müller vielleicht? Doch ihn hat die
Kanzlerin gerade erst indirekt abgewatscht, indem sie
Jamaika-Koalitionen als „Illusionen und Hirngespinste“ geißelte. Dass
ihr Parteifreund Müller sich mit genau einer solchen
schwarz-gelb-grünen Konstellation in eine weitere Amtszeit gerettet
hatte, schien sie vergessen zu haben – oder bewusst totzuschweigen.
Und sonst? Wer gestern so einige Reden in Karlsruhe verfolgt hat,
wird bemerkt haben: In der zweiten und dritten Reihe der CDU wird–s
schnell sehr dünn. Profilierte Köpfe sind rar. Der Aderlass der
vergangenen Jahre ist noch längst nicht ausgeglichen. Und dass jemand
wie die rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Julia Klöckner mit
einem Traumergebnis ins Präsidium gewählt wurde, hat auch weniger mit
ansteckender Brillanz der Kandidatin zu tun – als vielmehr mit einem
dringend nötigen Impuls für die dortigen Landtagswahlen im kommenden
Jahr. Und auch für so etwas haben Delegierte oft ein feines Gespür.

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Fuldaer Zeitung
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