Auch für die Grünen wachsen die Bäume nicht in den
Himmel: Viel früher als ihm lieb sein dürfte, droht dem neuen
baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann nun
das von ihm vehement abgelehnte Milliardenprojekt Stuttgart 21 um die
Ohren zu fliegen. Seine Hoffnung, die Bagger noch bis zur Auswertung
des Stresstests Mitte Juli oder am besten sogar bis zur
Volksabstimmung im Herbst stoppen zu können, hat sich in Luft
aufgelöst. Wenn die Bahn kommende Woche gegen den Willen der
Landesregierung und vieler Bürger die umstrittene Baustelle
wiedereröffnet, droht eine neue Eskalation der Lage. Dann könnten
genau jene Wähler, die den grünen Hoffnungsträger auf den Schild
gehoben haben, plötzlich gegen die in der Zwickmühle sitzende
Landesregierung mobil machen. Klang es im aufgeheizten Wahlkampf noch
so, als hinge das Wohl und Wehe bei dem Milliardenprojekt allein vom
politischen Willen der Verantwortlichen im Ländle ab, so ist
Kretschmann nun hart auf dem Boden der Realität angekommen. Er muss
sich Recht und Gesetz beugen. Und hier sitzt die Bahn einfach am
längeren Hebel. Kretschmanns roter Koalitionspartner, übrigens ein
Befürworter des von der Bahn geplanten unterirdischen
Durchgangsbahnhofs, dürfte sich zumindest im stillen Kämmerlein ins
Fäustchen lachen. Doch es gibt auch gute Signale aus Stuttgart:
Bahnchef Rüdiger Grube, dessen Unternehmen als Synonym für Pleiten,
Pech und Pannen gilt, tritt beim Weiterbau merklich auf die Bremse.
Zumindest bis zur Vorlage des Stresstests für das finanziell immer
weiter aus dem Ruder laufende Projekt sollen keine „unumkehrbaren
Fakten“ im Schlossgarten oder am Südflügel des Hauptbahnhofs
geschaffen werden. Zugleich unterstreicht der Manager mit seinem
Vorgehen, dass er sich von der Politik nicht an der Nase herumführen
und bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag mit Gutachten und
Gegendarstellungen hinhalten lässt. Jenseits politischer Launen muss
das umkämpfte Projekt auf Herz und Nieren geprüft werden. Es ist
höchste Zeit, dass solide und belastbare Zahlen auf den Tisch kommen.
Milliarden in den Sand zu setzen, kann sich weder die Bahn noch
Grün-Rot im Ländle leisten. Und schon gar nicht der gebeutelte
Steuerzahler, der am Ende die Zeche für politische
Profilierungsversuche oder unternehmerischen Größenwahn zu begleichen
hat.
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Fuldaer Zeitung
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