Geplante Verfassungsschutzreform: Erbärmlich

„Das Ergebnis der Innenministerkonferenz zur Reform des Verfassungsschutzesn kann nur als erbärmlich bezeichnet werden. Die nunmehr getroffenen Vereinbarungen zur gegenseitigen Information der Verfassungsschutzbehörden laufen darauf hinaus, dass die Innenminister sich verständigt haben, zukünftig die geltenden gesetzlichen Regelungen beachten zu wollen. In § 5 Abs. 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes ist die wechselseitige Informationsverpflichtung ausdrücklich festgelegt (vgl. Anlage). Berücksichtigt man die Veranlassung für die Reform des Verfassungsschutzes, kommt diese Verständigung der Innenminister einer Verhöhnung der Opfer der NSU-Morde gleich“, erklärt Neskovic Wolfgang Ne?kovic, Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) und Vorstandsmitglied der Fraktion DIE LINKE zu den Ergebnissen der Sonderkonferenz der Innenminister in Berlin.

Neskovic weiter: „Um eine effiziente Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden zu erreichen, sind zwei Dinge unerlässlich: Sämtliche Informationen, die die Länder sammeln, müssten automatisch – also ohne eigene Wertungsmöglichkeit der Länder – an das Bundesamt weitergereicht werden. Außerdem müsste das Bundesamt – ähnlich wie das BKA – zusätzlich die Kompetenz erhalten, Einzelfälle an sich ziehen zu können.

Darüber hinaus sind deutlich bessere Arbeitsergebnisse des Verfassungsschutzes nur dann zu erreichen, wenn man sich zu einem radikalen Schnitt entscheidet. Danach müssten sämtliche Landesämter aufgelöst und zu Außenstellen des Bundesamtes umgebaut werden. Damit erreicht man eine zentrale Bearbeitungsperspektive und bewahrt sich gleichzeitig länderspezifische Ortskenntnisse. Das setzt allerdings die Bereitschaft der Länder voraus, sich von kleinkariertem Prestigedenken zu befreien, um einer Reform den Weg zu ebnen, die diesen Namen auch verdient. Der Schutz der Verfassung hört nicht an den Landesgrenzen auf.

So hat sich gerade bei den NSU-Morden gezeigt, zu welchen Fehlschlüssen eine länderorientierte Sichtweise führt. In Bayern ist man nach den ersten Morden sehr frühzeitig auch der Annahme nachgegangen, dass die Taten von ausländerfeindlichen Motiven getragen seien könnten. Man hat die möglichen Täter jedoch nur in Bayern vermutet und dabei einen länderübergreifenden Ermittlungsansatz gerade nicht ins Auge gefasst.

Eine selbstkritische Bestandsaufnahme führt zu der Erkenntnis, dass die Länder regelmäßig schon personell mit den vielfältigen Aufgabenbereichen (Extremismus, Terrorismus, Spionage, Proliferation) überfordert sind. Auch bei umfangreichen und komplexen Sachverhalten reicht die Personalausstattung nicht aus, um den nötigen Überblick zu gewinnen. Manche Länder verfügen nicht einmal über 100 Mitarbeiter. Bremen hat lediglich 37 Mitarbeiter. Das Bundesamt hingegen beschäftigt 2641 Mitarbeiter. Allein diese Zahlen verdeutlichen die unterschiedlichen Handlungsoptionen und die Notwendigkeit eines zentralen Bundesamtes mit Außenstellen.“

Anlage:

Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz

§ 5 Abgrenzung der Zuständigkeiten der Verfassungsschutzbehörden (1) Die Landesbehörden für Verfassungsschutz sammeln Informationen, Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen zur Erfüllung ihrer Aufgaben, werten sie aus und übermitteln sie dem Bundesamt für Verfassungsschutz und den Landesbehörden für Verfassungsschutz, soweit es für deren Aufgabenerfüllung erforderlich ist.

Wolfgang Ne?kovic, MdB
– Richter am Bundesgerichtshof a. D. –
Justiziar der Fraktion DIE LINKE.
Mitglied im Vorstand der Fraktion DIE LINKE.
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