
Frage: Herr Schüler, viele Autofahrer wissen, dass Alkohol am Steuer gefährlich ist. Dennoch kommt es gerade in der Winter- und Feierzeit immer wieder zu alkoholbedingten Auffälligkeiten im Straßenverkehr. Woran liegt das?
Oliver Schüler: Das Problem ist, dass Alkohol zu dieser Jahreszeit sehr selbstverständlich konsumiert wird – sei es auf Weihnachtsmärkten, bei Firmenfeiern oder beim geselligen Anstoßen im privaten Rahmen. Glühwein und Sekt wirken harmlos und werden oft gar nicht als „richtige“ alkoholische Getränke wahrgenommen. Viele Menschen denken: „Ein Becher zum Aufwärmen, ein Glas zum Anstoßen – das wird schon nicht schaden.“ Diese Fehleinschätzung ist weit verbreitet und führt leider häufig dazu, dass Betroffene schneller kritische Promillewerte erreichen, als ihnen bewusst ist.
Frage: Was macht Glühwein denn so tückisch?
Oliver Schüler: Glühwein ist warm, süß und schmeckt kaum nach Alkohol. Genau das ist das Gefährliche. Durch die Wärme gelangt der Alkohol schneller ins Blut, der süße Geschmack überdeckt die tatsächliche Stärke, und die gemütliche Atmosphäre eines Weihnachtsmarktes verleitet viele dazu, gleich zwei oder drei Becher zu trinken. Was viele nicht wissen: Ein Becher Glühwein entspricht in etwa einem großen Bier. Damit kann man die 0,5-Promille-Grenze sehr schnell erreichen – manchmal bereits nach einem einzigen Getränk.
Frage: Und wie sieht es mit Sekt aus? Dieser gilt ja allgemein als eher „leichtes“ Getränk.
Oliver Schüler: Auch das ist ein klassischer Irrtum. Die Kohlensäure im Sekt sorgt dafür, dass der Alkohol deutlich schneller aufgenommen wird. Ein Glas kann schon zu einer klaren Wirkung führen, zwei Gläser reichen bei vielen Menschen aus, um in den Bereich straf- oder ordnungswidrigkeitenrelevanter Promillewerte zu kommen. Hinzu kommt, dass Sekt oft nebenbei getrunken wird – beim Empfang, beim Anstoßen oder zwischendurch. Viele bemerken gar nicht, wie schnell sich mehrere Gläser summieren.
Frage: Welche Promillegrenzen gelten denn konkret, und welche Folgen drohen?
Oliver Schüler: Die gesetzlichen Grenzen sind eindeutig. Für Fahranfänger und Fahrer unter 21 Jahren gilt die 0,0-Promille-Grenze. Für alle anderen wird es ab 0,5 Promille kritisch: Dann drohen 500 Euro Bußgeld, zwei Punkte in Flensburg und ein Monat Fahrverbot – und das bereits beim ersten Verstoß.
Ab 0,3 Promille kann Alkohol schon strafrechtlich relevant werden, wenn Ausfallerscheinungen auftreten oder es zu einem Unfall kommt.
Bei 1,1 Promille sprechen wir von absoluter Fahruntüchtigkeit, die immer eine Straftat darstellt – inklusive Geldstrafe, drei Punkten und regelmäßigem Führerscheinentzug.
Und ab 1,6 Promille wird in der Regel eine MPU angeordnet, teilweise sogar für Radfahrer.
Frage: Viele Betroffene sagen später, sie hätten sich noch vollkommen fit gefühlt. Welche Rolle spielt das eigene Empfinden?
Oliver Schüler: Das subjektive Empfinden spielt juristisch überhaupt keine Rolle. Viele fühlen sich sicher, weil sie sich auf ihr Körpergefühl verlassen. Aber das ist trügerisch. Alkohol wirkt individuell sehr unterschiedlich, und weder Wohlbefinden noch Erfahrung sind zuverlässige Maßstäbe. Der Körper baut Alkohol langsam ab, etwa 0,1 Promille pro Stunde. Wer am frühen Abend zwei Glühwein trinkt, kann am nächsten Morgen noch immer Restalkohol haben – und gerade dieser Restalkohol ist ein häufiger Grund für Führerscheinverluste.
Frage: Was sind aus Ihrer Sicht die häufigsten Fehleinschätzungen?
Oliver Schüler: Da gibt es einige typische Aussagen:
• „Ein Glühwein ist doch nichts.“ – Doch, er ist stärker als man denkt.
• „Mit Sekt passiert nichts.“ – Die Kohlensäure beschleunigt die Wirkung.
• „Ich fühle mich fit.“ – Das sagt nichts über den tatsächlichen Promillewert aus.
• „Ich habe viel gegessen.“ – Essen verzögert die Aufnahme etwas, verhindert sie aber nicht.
Diese Annahmen führen schnell zu Situationen, die für Autofahrer rechtlich sehr unangenehm werden können.
Frage: Was raten Sie Autofahrern, um ihren Führerschein zu schützen?
Oliver Schüler: Die klare Empfehlung lautet: Wenn Alkohol im Spiel ist, das Auto stehen lassen – ohne Ausnahme. Besonders Glühwein- und Sektsituationen sind so schwer einzuschätzen, dass man sich auf keine Faustregel verlassen sollte. Für Feiern sollten Alternativen wie Taxi, öffentlicher Nahverkehr oder Fahrgemeinschaften vorher festgelegt werden. Und man sollte den Restalkohol am nächsten Morgen niemals unterschätzen. Wer unsicher ist oder bereits in ein Verfahren geraten ist, sollte frühzeitig anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen. Das kann im Einzelfall sehr viel retten.
Frage: Ihr Fazit?
Oliver Schüler: Glühwein und Sekt sind kleine Getränke mit großer Wirkung. Sie werden unterschätzt, wirken schneller als man denkt und können den Führerschein schon nach geringen Mengen gefährden. Wer verantwortungsbewusst handeln möchte, trifft eine bewusste Entscheidung: Alkohol und Autofahren passen nicht zusammen.
