Ein Kommentar von Oliver Schade
Es ist ein richtiger, aber riskanter Weg, den Griechenlands
Ministerpräsident Giorgos Papandreou mit seiner Ankündigung eines
Volksentscheides eingeschlagen hat. Die Griechen sollen darüber
abstimmen, ob sie das Sparpaket der Regierung akzeptieren oder nicht.
Papandreou spielt seine womöglich letzte Karte in einem politischen
Pokerspiel, das für ihn schon verloren schien. Eine wenig kooperative
Opposition, nationalistische Tendenzen in einer verunsicherten
Bevölkerung und gewalttätige Ausschreitungen mit Euro-Gegnern auf den
Straßen Athens haben den Regierungschef in den vergangenen Wochen in
die Enge getrieben. Nun versucht er mit dem Volksentscheid seinen
persönlichen politischen Befreiungsschlag. Papandreou weiß: Nur wenn
die Griechen das von ihm verteidigte Sparpaket absegnen, könnte er
weiterregieren. Doch die Volksabstimmung wäre mehr als ein Votum über
Papandreou. Die Griechen würden über eine Zukunft mit oder ohne Euro
entscheiden. Denn sollten sie gegen den Sparkurs stimmen, käme dies
in letzter Konsequenz einem Austritt aus der Euro-Zone gleich. Für
Europa und den Internationalen Währungsfonds (IWF) kann es beim Blick
auf das mit der Athener Regierung vereinbarte Sparpaket keine
Kompromisse geben. So hart die Einschnitte für den einzelnen Bürger
auch sein mögen, die finanziellen Hilfen dürfen nur fließen, wenn die
Sparmaßnahmen eins zu eins umgesetzt werden. Weichen die Geldgeber
nur einen Zentimeter von ihrem Weg ab, werden sie unglaubwürdig und
erpressbar. Die Hilfen für das überschuldete Griechenland sind an
detailliert formulierte Bedingungen geknüpft, die Athen einzuhalten
hat. Da es sich allerdings um die tiefsten sozialen Einschnitte in
der jüngeren Geschichte Griechenlands handelt, sollte das Volk dazu
gehört werden. Sind die Griechen bereit, ihren verkrusteten
Staatsapparat und ihr undurchsichtiges Sozial- und Steuersystem neu
aufzustellen oder wollen sie einen anderen, eigenen Weg außerhalb der
Euro-Zone gehen? Wenn ein Volk in einer parlamentarischen Demokratie
nicht einmal mehr über eine solche Schicksalsfrage abstimmen darf,
über was dann? Gegen die eigene Bevölkerung wird die Regierung in
Athen ihren Sparkurs langfristig nicht durchhalten können. Bereits
heute steht fest, dass die eingeleiteten Maßnahmen nur den Beginn
harter sozialer Einschnitte markieren. Es macht Sinn, dass die
Regierenden jetzt das Volk hinter sich scharen, bevor Nationalisten
in den kommenden Monaten mit Anti-Europa-Parolen Zulauf bekommen.
Sollten die Griechen für den Sparkurs stimmen, würden nicht nur die
Pro-Europa-Politiker in Athen gestärkt, auch die Zukunft für die
junge Gemeinschaftswährung Euro wäre sicherer. Doch was passiert bei
einem negativen Votum? Die Aktienmärkte gingen gestern bereits in die
Knie, die Furcht der Anleger vor dem Zerfall der Euro-Zone ist groß.
Allerdings sollte man die direkten ökonomischen Folgen eines
Abschieds der Griechen aus der Euro-Zone, der bei einem Nein zum
Sparpaket zwangsläufig wäre, auch nicht überbewerten. Die Banken
haben ihre Griechenland-Anleihen ohnehin schon zum Großteil
abgeschrieben und die wirtschaftliche Bedeutung des
südosteuropäischen Landes mit seinen knapp elf Millionen Einwohnern
für die Euro-Zone hält sich in Grenzen. Allerdings wäre der Austritt
ein mehr als fatales Signal für die von weitsichtigen Männern wie
Jean Monnet, Helmut Schmidt und Giscard d–Estaing ersonnene Idee
eines vereinten Europas. Der Nährboden für einen neuen gefährlichen
Nationalismus auch in anderen Euro-Staaten würde bereitet. Und der
Euro bliebe in der langen, turbulenten Geschichte Europas womöglich
nicht mehr als eine Randnotiz.
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