HAMBURGER ABENDBLATT: Inlandspresse, Hamburger Abendblatt zu Rechtsrterrorismus

Ein Kommentar von Karsten Kammholz

Das kommt heraus, wenn es die Politik mit einem Thema richtig
ernst meint. Öffentlichkeitswirksam installiert sie einerseits
Aufklärungsgremien – Sonderermittler und Untersuchungsausschüsse – in
den Ländern und im Bund. Aber weil der deutsche Föderalismus
andererseits die Politik zwingt, autarke Organe unabhängig
voneinander arbeiten zu lassen, sucht sie ihr Glück auch noch in
einer Bund-Länder-Kommissionsgründung. „Wenn du nicht mehr
weiterweißt, dann gründe einen Arbeitskreis“, dürfen Zyniker jetzt
gern spotten. Es stimmt, die gestern gegründete Kommission zur
Aufklärung der Neonazi-Mordserie muss mit einem Geburtsfehler leben.
Sie besitzt keine rechtlichen Grundlagen, um Zeugen und
Sachverständige vorzuladen, soll aber in der Lage sein, Hintergründe
aufzuklären und bitte auch noch die Schwachstellen der bisherigen
Aufklärungsarbeit zu benennen. Sie ist damit auf den
Kooperationswillen aller Beteiligten angewiesen. Ihre Macht wird sie
allein aus der Mithilfe der Behörden erzielen. Sollte sich eine
Bundesbehörde oder ein Landesverfassungsschutzamt den Anfragen der
Kommission entziehen, wäre der politische Skandal perfekt. Der Druck,
den die Kommission ausüben kann, ist nicht juristisch, dafür
moralisch begründet. Gut möglich, dass sie am Ende mehr bewegen kann,
als ihr heute zugetraut wird. Ihr gehört ein Kenner der
bundesanwaltschaftlichen Arbeit genauso an wie mit dem Hamburger
Heino Vahldieck ein Verfassungsschutzexperte. Das Gremium weiß auch,
was politisch an Vorschlägen überhaupt umsetzbar ist. Vielleicht hat
diese Kommission am Ende doch viel mehr zu sagen als eine Gruppe von
Parlamentariern von fünf Parteien, die am Ende eines
Untersuchungsausschusses um eine gemeinsame Analyse ringt. Im
kommenden Jahr wollen die Gremien ihre Berichte vorlegen. Es wäre
bitter, wenn aus ernst gemeinter Aufklärungsarbeit Schlüsse gezogen
werden, die parteipolitischen Wahlkampfzwecken dienen. Der Verdacht
liegt heute nahe, dass die dann nahende Bundestagswahl eine besonnene
Debatte um den richtigen Weg gegen die rechte Gefahr verhindert.

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