Ein Kommentar von Thomas Frankenfeld
Der Tod von Al-Qaida-Chef Osama Bin Laden war für US-Präsident
Barack Obama in mehrfacher Hinsicht ein politisches Geschenk. Er ließ
jene Kritiker verstummen, die Obama Verzagtheit im Krieg gegen den
Terrorismus vorwarfen – und er lieferte dem Präsidenten die
Möglichkeit, einen entscheidenden Teilsieg in Amerikas militärischem
Engagement am Hindukusch zu verkünden. Auf einen solchen Erfolg hatte
Obama gewartet, um aus der Position des Siegers den Abzug aus
Afghanistan verkünden zu können. Die hohen Ziele der
Bush-Administration, aus Afghanistan einen Hort der Demokratie und
Freiheit zu machen, sind hoffnungslos zerstoben. Das Ziel ist
verfehlt. Inzwischen verhandelt Washington unter dem Tisch mit den
Taliban – wohl wissend, dass sie noch da sein werden, wenn die
letzten US-Truppen längst abgezogen sind. Das amerikanische Volk ist
mehrheitlich kriegsmüde und will nicht mehr akzeptieren, dass
Abermilliarden Dollar in Afghanistan versickern, während die eigene
Infrastruktur dringend modernisiert werden muss. Die Entscheidung des
US-Präsidenten gegen den Rat seiner Militärs entspringt politischem
Pragmatismus. Obama hat natürlich seine Wiederwahl im Auge, aber auch
die Tatsache, dass dieser von seinem Vorgänger geerbte Krieg Amerika
weit mehr schadet als Afghanistan nutzt. Der zehnjährige Waffengang
beginnt allmählich selbst die ungeheuren Ressourcen der USA zu
zerrütten. 120 Milliarden Dollar kostet die USA das Abenteuer am
Hindukusch pro Jahr – während der US-Staatshaushalt demnächst an
seine Schuldengrenze von 14,29 Billionen Dollar stößt. Amerikas Macht
schrumpft relativ und verfügt nicht über unbegrenzte Mittel, wie
Obama einräumt. Doch angesichts eines Landes wie Afghanistan, das in
archaischen Strukturen verharrt, in weiten Teilen radikalislamisch,
wütend anti-westlich und unglaublich korrupt ist, hat der Satz des
US-Senators Joe Manchin besonderes Gewicht: „Wir versuchen ein Land
aufzubauen, das womöglich gar nicht von uns aufgebaut werden will.“
Diese bittere Wahrheit gilt ebenso für das militärische und
finanzielle Engagement Deutschlands.
Pressekontakt:
HAMBURGER ABENDBLATT
Ressortleiter Meinung
Dr. Christoph Rind
Telefon: +49 40 347 234 57
Fax: +49 40 347 261 10
christoph.rind@abendblatt.de meinung@abendblatt.de