Ein Kommentar von Oliver Schade
Setzt man sich derzeit an Deutschlands Stammtische oder verliert
sich am Abend in einer der zahlreichen politischen Talkshows, dann
kann einem angst und bange werden. Von Hyperinflation ist dort die
Rede, vermeintliche Experten zeichnen Elendsszenarien infolge der
Griechenland-Krise und warnen zugleich vor den Gefahren des Euro.
Deutschland, einig Jammerland, hat sich wieder einmal gefunden. Ist
die Krise da, haben sie alle vorausgesagt. Ist die Krise nicht da,
beschwören sie alle herauf. Tatsache ist: Die Krise ist nicht da!
Zumindest nicht in Deutschland. Ein Blick auf die Fakten lohnt,
öffnet möglicherweise auch den Dauerpessimisten die Augen, lässt sie
wohl kaum zu Optimisten, aber vielleicht zu Realisten werden. Im
Oktober 2009 hat Griechenland seinen Offenbarungseid geleistet.
Damals musste die Regierung in Athen zugeben, dass das
Haushaltsdefizit drastisch höher ausfallen wird als gedacht. Die
Griechenland-Krise nahm ihren Anfang. Und dennoch kam der deutsche
Aufschwung erst danach richtig in Fahrt. So sind in den vergangenen
eineinhalb Jahren die Exporte kräftig gestiegen, das
Wirtschaftswachstum hat Rekordwerte erklommen, der Deutsche
Aktienindex legte um weit mehr als 1000 Punkte zu, die Zahl der
Arbeitslosen sank stetig. Zugleich kann bei Preissteigerungen von gut
zwei Prozent niemand ernsthaft von einer Hyperinflation sprechen, wie
sie manche Ökonomen uns seit Jahren prophezeien. Im Gegenteil haben
der deutschen Wirtschaft die geringfügig gestiegenen Preise sogar gut
getan. Schließlich konnten Deflation und Stagnation verhindert
werden. Deutschland gilt weltweit als das ökonomische Vorzeigeland.
Trotz Griechenland-Krise. Trotz Schwarzmaler-Talkshows. Trotz der in
diesem Land verbreiteten Lust am Weltuntergang. Es wird Zeit für ein
wenig mehr Zuversicht. Denn am Ende kann man ökonomische Verwerfungen
auch herbeireden. Gerade die Bundesrepublik sollte mit ihrem
politischen und ökonomischen Gewicht in Europa dazu beitragen, dass
dem Euro durch die Griechenland-Krise kein irreparabler Schaden
zugefügt wird. Ständiges Lamentieren und der gebetsmühlenartige
Verweis auf die Gefahren, die in Griechenland für ganz Europa lauern,
helfen nicht weiter. Solidarität im Euroland gepaart mit wirksamen
Hilfen, die den angeschlagenen Partnerländern auf die Beine helfen,
sind gefragt. Es wird Zeit, dass Europa wieder seine Chancen erkennt
und nicht nur über Risiken redet.
Pressekontakt:
HAMBURGER ABENDBLATT
Ressortleiter Meinung
Dr. Christoph Rind
Telefon: +49 40 347 234 57
Fax: +49 40 347 261 10
christoph.rind@abendblatt.de meinung@abendblatt.de