Martin A. Schoeller, Landesvorsitzender Bayern von
Die Familienunternehmer und Initiator der Münchner Europakonferenz,
unterstreicht die Wichtigkeit eines vereinten starken Europas.
Trotz all der Kritik und Befürchtungen können die EU und die, die
sie aufgebaut haben, unglaublich stolz und dankbar für den
großartigsten Erfolg seit Menschengedenken in Bezug auf Frieden,
Freiheit und Wohlstand sein. Der Nobelpreis für die EU war nicht
übertrieben.
Die Hoffnungen der Armen und Wohlhabenden dieser Welt ruhen auf
Europa. Durch den Migrationswunsch und die Investitionen der
Wohlhabenden in ein Heim in Europa, mit den europäischen Schulen und
dem Gesundheitswesen und einem sorgenfreien und garantierten Leben in
Würde für jeden Menschen wird der einzigartige Erfolg des
europäischen Ansatzes und der europäischen Struktur untermauert.
Die aktuelle Tendenz Amerika–s zu einem Rückzug aus der globalen
gemeinsamen Verantwortung verstärkt sogar die Bedeutung von Europa–s
Rolle. Während die Amerikaner die Entwicklungshilfen kürzen, sollten
die Europäer diese erhöhen und werden dies auch tun. Wir wollen
trotzdem nicht vergessen, was Europa den Amerikanern zu verdanken
hat.
Die Geschichte der Kriege und Auseinandersetzungen und noch heute
der Blick auf den Mittleren Osten, unsere östlichen Nachbarn, Afrika
und viele Entwicklungsländer zeigen uns, dass der Mensch die größte
Bedrohung für sich selbst darstellt. Wie bei einem Raubtier liegt es
in unserer Natur, unsere Freunde und Verwandten zu beschützen und
unsere Rivalen ohne Gnade zu bekämpfen. Männer können sogar unbewusst
ihr Gefühl des Mitleids abschalten, wenn sie sich im Kampfmodus
befinden. Wenn Befürchtungen vor einer Ressourcenverknappung aufgrund
von unkontrolliertem Bevölkerungswachstum und sogar aufgrund von Gier
und demStreben nach Macht bestehen, wird der Mensch – insbesondere
der Mann – zu einer Gefahr für seine Mitmenschen. Dies führt zu dem,
was wir Machtmissbrauch nennen.
Das Raubtier in uns kann auch noch leicht durch demagogische
populistische Politiker wie Erdogan provoziert werden, sogar unter
vorgehaltener demokratischer Maske. Daher ist es wichtig, dass
Deutschland nicht zur Plattform für Werbemaßnahmen wird, die die
Abschaffung der Gewaltenteilung in der Türkei propagieren, und nicht
als Gehilfe eines neuen Diktators fungiert, der durch Missbrauch der
Demokratie an die Macht kommt.
Dieses Wissen um die Gefahr des Machtmissbrauchs ist Bestandteil
der europäischen Formel für den Frieden und muss dringend erhalten
werden.
Europa wurde auf der gemeinsamen Überzeugung und den gemeinsamen
Werten rund um das Konzept der Menschenrechte und der Menschenwürde
aufgebaut. Europa hat – ähnlich wie das älteste Vorbild, die Schweiz
– festgestellt, dass diese Werte nur gewahrt und auch den schwächeren
Mitgliedern unserer Gesellschaft geboten werden können, indem ein
strenges System geschaffen wird, das einen Machtmissbrauch
verhindert.
Machiavelli hätte prophezeit, dass eine Gesellschaft nicht ohne
die Androhung grausamer Maßnahmen eine organisierte Struktur bilden
kann, aber bisher hat es bei uns auch ohne dies funktioniert,
größtenteils dank der systematischen Verhinderung eines
Machtmissbrauchs und weniger aufgrund des Konzepts der Demokratie.
Viele afrikanische Länder, Ägypten, die Türkei und andere Länder
auf der südlichen und östlichen Hemisphäre zeigen uns, dass es für
Frieden, Freiheit und Wohlstand für alle mehr bedarf als der
Demokratie. Dies muss durch die europäische Formel erreicht werden.
Wir müssen weiterhin ein starkes und freundliches Europa sein; wir
unterstützen unsere Nachbarn, damit diese vom umfassenden Erfolg
unseres Gesellschaftsmodells profitieren, und dies ist auch in
unserem Interesse. Was genau ist also die europäische Formel, die wir
erhalten sollten, und die nicht durch Populisten gefährdet werden
solltedurch eine fehlgeleitete Instrumentalisierung der Ängste?
Auf Grundlage der Motivation, nie wieder etwas wie den Zweiten
Weltkrieg oder den Terror der Nazis erleben zu müssen, ist der
Schlüssel das System zur Verhinderung des Machtmissbrauchs, damit die
für alle geltenden Menschenrechte keinesfalls mehr infrage gestellt
werden und ohne Ausnahme. Zu der europäischen Erfolgsformel zählen
auch die Übereinkunft, keine Angriffe zu führen, sondern sich nur im
Falle eines Angriffs zu verteidigen, sowie der Grundsatz der sozialen
Marktwirtschaft. Dies sind die drei grundlegenden Prinzipien, die als
europäische Formel bezeichnet werden können.
In der Praxis bedeutet dies auch die Gleichberechtigung von Mann
und Frau, was sich von radikalen und ultra-konservativen Formen des
Islam unterscheidet. Daher ist Europa nur mit den liberalen Formen
und Interpretationen des Islam vereinbar.
Europa verfügt zudem über die Stärke und Autorität, dies mit
Ländern wie Saudi-Arabien, Katar und anderen zu diskutieren, dabei
seinen Einfluss in eine aus Sicht der Menschenwürde wünschenswerte
Richtung auszuüben und Veränderungen von den Staaten zu fordern,
deren Bevölkerung nach Europa fliehen will.
Somit ergibt sich für uns die folgerichtige Legitimation, dies von
Einwanderern einzufordern und soziale Standards vor Ort mittels
Handelsverträgen durchzusetzen.
Krieg ist nicht erforderlich. Unser Einfluss ist stark genug, denn
die Menschen wollen nach Europa kommen oder Geschäfte in Europa
tätigen. Hunderte Millionen von Afrikanern würden gerne nach Europa
kommen, weil sie von einer sozialen Absicherung in Höhe von 1 200
Euro pro Monat nicht einmal träumen können. Sie verdienen mit harter
Arbeit und ohne garantierte Rechte 30 US-Dollar pro Monat. Dieser
Punkt hat übrigens eine weitaus höhere Priorität für uns alle als die
weitere interne Umverteilung des Reichtums, und zwar zulasten unserer
Wirtschaftskraft.
Europa benötigt offensichtlich einen soliden gemeinsamen
Grenzschutz, kann und muss aber auch Einfluss auf die afrikanischen
Nachbarstaaten nehmen, damit Städte für Flüchtlinge gebaut und
Zentren eingerichtet werden, die auf den Grundsätzen der sozialen
Marktwirtschaft beruhen. Europa kann Unterstützung und Fachwissen
bieten und soziale Standards vertraglich zur Voraussetzung machen.
Neben den Menschenrechten steht Europa für menschliche Solidarität
und soziale Marktwirtschaft. Den Ärmsten und denjenigen, die aus dem
Wettbewerb auf den Märkten als Verlierer hervorgehen, steht ein
sicherer Schutz zur Verfügung, so dass arme Menschen aus Afrika und
dem Mittleren Osten nach Europa drängen.
Um diese europäische Lebensqualität für alle zu erreichen, war und
ist das europäische System zur Verhinderung des Machtmissbrauchs
erforderlich, nämlich die Verhinderung des politischen und
wirtschaftlichen Machtmissbrauchs. Für die Kontrolle der politischen
Macht besteht bei uns eine strikte Teilung der drei Gewalten sowie
Pressefreiheit, und für die Kontrolle der wirtschaftlichen Macht
gelten bei uns vier grundlegende Normen, die gesetzlich überwacht und
durchgesetzt werden: Korruptionsverbot, Kartellrecht, soziale und
ökologische Normen.
Wer in Europa ein Vermögen verdienen möchte, muss dies mit fairen
Mitteln tun und die sozialen und ökologischen Normen einhalten. Viele
Unternehmer außerhalb der Industrienationen müssen diesen vier
Grundsätzen nicht konsequent nachkommen, was ein eindeutiges Thema
ist, das von Europa künftig in Angriff genommen werden muss. Die
Feststellung der Kundenidentität (know your customer) ist
diesbezüglich bereits ein Schritt in die richtige Richtung.
Wenn wir unseren privilegierten europäischen Frieden, die
Freiheiten und den Wohlstand erhalten möchten, müssen wir natürlich
für Afrika und den Mittleren Osten ein guter Nachbar bleiben, ohne
nur Grenzen zu errichten, die wir jetzt leider errichten müssen. Wir
müssen Handelsabkommen abschließen, mit denen soziale Normen
gefördert werden, und Ausländer wie Europäer müssen allesamt
aufgefordert werden, in ihrem Heimatort Sozialhilfe zu beantragen,
wenn sie bedürftig werden. Dies funktioniert beispielsweise in der
Schweiz und beugt dem Sozialhilfe-Tourismus vor.
In diesen Zeiten werden Ängste mit Leidenschaft geschürt und
führen zur Unterstützung der Populisten, die den Zerfall Europa–s
herbeireden wollen. Daher sollte unser Schwerpunkt darauf liegen,
auch die europäischen Vernunft mit Leidenschaft zu vertreten.
Pressekontakt:
Martin Alexander Schoeller
Landesvorsitzender Bayern
Die Familienunternehmer
Kuratorium der Münchner Europakonferenz
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82049 Pullach
Tel. +49-89-55277-100
martin.schoeller@schoeller.org
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