Kölner Stadt-Anzeiger: Hamburger Erzbischof sieht „Boot der Kirche“ vom Untergang bedroht / Einseitige Belastung mit Dogma und Moral – Erwartung substanzieller Veränderungen unter Papst Franziskus

Köln. Der Hamburger Erzbischof Werner Thissen mahnt
mit drastischen Worten substanzielle Veränderungen in der
katholischen Kirche an. „Das Boot der Kirche war in der Vergangenheit
doch etwas einseitig auf Steuerbord belastet“, sagte Thissen dem
„Kölner Stadt-Anzeiger“ (Samstag-Ausgabe). „Bei Dogma, Moral, da
waren wir ganz stark und ganz entschieden und ganz
unmissverständlich.“ Was aber mit einem Schiff passiert, dessen
Ladung ungleich verteilt ist, sei bekannt, so Thissen: „Es schlingert
oder schlimmstenfalls, es sinkt.“ Thissen verwies auf Aussagen von
Papst Franziskus, wonach einst wichtige Normen der Kirche in einer
anderen Zeit auch getrost etwas in den Hintergrund treten könnten. Zu
den heute „zweitrangigen“ Lehren zählte der 74-Jährige, der seit 2003
an der Spitze des Erzbistums Hamburg steht, den Ausschluss
wiederverheirateter Geschiedener von den Sakramenten. „Unzweifelhaft
ist die unauflösliche Ehe in der Botschaft Jesu ein hohes Gut. Aber
damit haben wir den wiederverheirateten Geschiedenen eine große Bürde
auferlegt. Ich glaube, das kann und muss sich ändern.“ Er sehe hier
„Spielräume und Entwicklungsmöglichkeiten“. Die Aussagen des Papstes
über einen neuen Weg der Kirche seien keineswegs bloße Rhetorik,
betonte Thissen. Ihn hätten Kommentare geärgert, der Papst sage
inhaltlich gar nichts Neues. Die Lehre der Kirche sei im Lauf der
Jahrhunderte mannigfach differenziert und akzentuiert worden. „Das
kann doch auch heute geschehen.“ Die Betonung eines schlichten
Lebensstils durch den Papst sieht Thissen als Herausforderung, die
auch Folgen für die deutschen Bischöfe haben werde. „Ich bin mal
gespannt, wie der bischöfliche Fuhrpark in zwei Jahren aussieht.
Meine Prognose: nicht mehr so wie heute!“ Er selbst werde in Kürze
auf einen neuen Dienstwagen umsteigen, der eine Klasse kleiner ist
als der bisherige. Allerdings sei dieser Schritt mit Blick auf einen
geringeren CO2-Ausstoß schon länger geplant gewesen, so der Hamburger
Erzbischof.

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