Die Islamwissenschaftlerin und Iran-Expertin Katajun
Amirpur schließt einen Regime-Wechsel in dem Land als Folge von
Bürgerprotesten aus. „Die Hardliner schalten alles aus, was sich
ihnen widersetzt. Das wissen die Iraner auch“, sagte Amirpur dem
„Kölner Stadt-Anzeiger“ (Donnerstag-Ausgabe). Die Wissenschaftlerin,
deren Vater aus dem Iran stammt, war erst am Montag von einem
Recherche-Aufenthalt aus der iranischen Hauptstadt Teheran nach
Deutschland zurückgekehrt. „Niemand sollte erwarten, dass der Protest
der Straße auch nur die geringste Aussicht darauf hätte, das gesamte
Regime aus dem Sattel zu heben. Das ist ausgeschlossen“, so Amirpur.
In Teheran seien nach den teils gewaltsamen Demonstrationen nun an
den neuralgischen Punkten Einsatzkräfte postiert. „Deshalb ist es
ruhig auf den Straßen. So einfach ist das.“ Alle ihre
Gesprächspartner im Land hätten ihr gesagt: „Ich bin doch nicht
bescheuert, Leib und Leben zu riskieren – für etwas Aussichtsloses.“
Die Niederschlagung der Proteste unter anderem gegen hohe
Lebensmittelpreise sei erwartbar gewesen. „Unkoordiniert,
ungerichtet, ungelenkt – wie soll daraus ein Widerstand mit
Durchschlagskraft werden?“, fragte Amirpur. Der Unmut in der
Bevölkerung gelte den immer gleichen Missständen. „Jeder weiß: Die
Arbeitslosigkeit ist hoch, die Versorgungslage schlecht, die Preise
für Grundnahrungsmittel oder Benzin steigen und steigen, während das
Regime munter in die eigene Tasche wirtschaftet. Aber das ist ein
kontinuierlicher, schleichender Prozess.“ Scharfe Kritik übte Amirpur
an der Rolle des Auslands. „Was die USA, Israel und die Saudis
machen, ist völliger Quatsch. Wenn Donald Trump oder Benjamin
Netanjahu sich auf die Seite der Protestierer schlagen, sagen noch
die letzten Oppositionellen in Iran, damit wollten sie nichts zu tun
haben.“ Solidaritätsbekundungen mit der Opposition stärkten nur die
Hardliner. „Wenn Trump so weitermacht, hat er bald anstelle des
einigermaßen maßvollen Hassan Ruhani einen zweiten Mahmud
Ahmadinedschad in Teheran auf dem Stuhl des Präsidenten sitzen.“ Mit
Blick auf die deutsche Außenpolitik sagte Amirpur, es wäre schon
viel gewonnen, „wenn die Deutschen sich bei den Amerikanern gegen die
Strafzölle wenden würden, die hiesigen Firmen auferlegt werden, wenn
sie Geschäfte in Iran machen wollen. Das stranguliert den Aufschwung,
es schadet der Wirtschaft und macht es den klerikalen Hardlinern
leicht, Ressentiments gegen den Westen zu schüren.“ Die 1971 geborene
Amirpur, derzeit Professorin in Hamburg, übernimmt im
Sommersemester einen Lehrstuhl für Islamwissenschaft mit dem
Schwerpunkt iran- und schia-bezogene Studien an der Universität ihrer
Heimatstadt Köln.
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