Kommentar / Ehrlichkeitsoffensive bei der Bahn nötig = Von Maximilian Plück

In Sachen Öffentlichkeitsarbeit läuft es bei der Bahn derzeit
nicht rund. Kurz nachdem sie sich mit einem äußerst verunglückten Tweet zur auf
dem Boden eines überfüllten ICE hockenden Klimaaktivistin Greta Thunberg in die
Nesseln gesetzt hatte, legte die Bahn über den gleichen Kanal noch mal nach und
erntete erneut Häme und Spott: Eine Mutter wollte mit ihrem Kinderwagen in einen
Zug einsteigen und hatte dafür eine Bahn-Mitarbeiterin um Hilfe gebeten. Die
weigerte sich. Daraufhin behauptete das Social-Media-Team beim
Kurznachrichtendienst, die Mitarbeiterin hätte aus versicherungstechnischen
Gründen nicht helfen dürfen – eine peinliche Schutzbehauptung, wie sich später
herausstellte.

Der Staatskonzern sollte es mit der Wahrheit etwas genauer nehmen. Das gilt auch
für das Thema Zuverlässigkeit. So jubelte die Bahn im Dezember angesichts einer
Pünktlichkeitsquote von unter 80 Prozent, dass es sich um den besten Wert für
den Monat seit 2016 handele. Das mag zwar sein, zeigt aber vor allem die
Schwäche dieser Messgröße. Denn die komplett entfallenen Züge tauchen in der
Statistik nicht auf. Und die sind für die Kunden ein ungleich größeres Ärgernis
als eine Verspätung. Den dort eingefahrenen Rekordwert verschweigt die Bahn
lieber.

Natürlich hat es das Unternehmen derzeit nicht leicht. Es ist zentraler Baustein
der Mobilitätswende, die Erwartungen sind groß, möglicherweise unerfüllbar.
Zugleich ächzt es unter den Altlasten, die ihm die inzwischen beerdigten
Börsenpläne eingebracht haben. Umso dringender muss die Bahn aufhören, die
Wahrheit zu ihren Gunsten auszulegen und missliebige Details zu verschweigen. So
wie sie monatlich ihre Pünktlichkeitswerte veröffentlicht, muss sie über
gestrichene Verbindungen informieren. Das schuldet sie ihren Kunden und ihrem
Eigner.

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