KOMMENTAR: Erdogans Erpressung

Von Gerd Höhler

Fast vier Millionen Kriegsflüchtlinge und Armutsmigranten beherbergt die Türkei.
In der Hand eines abgebrühten Politikers bilden diese Menschen ein gewaltiges
Erpressungspotenzial. Seit Langem hat Recep Tayyip Erdogan mit seiner schärfsten
Waffe gedroht – der Öffnung der Grenzen. Jetzt setzt er sie ein.

Erdogans Strategie hat eine innen- und eine außenpolitische Stoßrichtung.
Landsleuten will er Stärke demonstrieren. Migranten sind in der Türkei zunehmend
unbeliebt, auch vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Viele
sehen in ihnen Konkurrenten im Wettbewerb um Arbeitsplätze und Sozialleistungen.
Das war einer der Gründe für die Verluste der Erdogan-Partei AKP bei den
jüngsten Kommunalwahlen. Außenpolitisch versucht Erdogan mit seiner Erpressung,
den Europäern Rückendeckung für seine militärischen Abenteuer in Syrien
abzunötigen. Aus Sicht der EU ist das heikel, weil die türkische Syrien-Invasion
gegen Völkerrecht verstößt und Erdogan dort mit islamistischen Rebellen aus dem
Umfeld der Terrororganisation Al Kaida paktiert.

Wie Erdogans Kraftprobe mit Europa ausgeht, ist offen. Gewinnen kann eigentlich
keiner. Zu den Verlierern gehören die Migranten, die Erdogan als Druckmittel
einsetzt. Er täuschte den Menschen eine leichte Ausreise nach Griechenland vor.
Stattdessen sitzen sie im Matsch fest. Auch Griechenland verliert. Gerade erst
hatte Athen seine Migrationspolitik neu ausgerichtet. Die Regierung setzte auf
schnellere Asylverfahren und zügige Abschiebungen in die Türkei. Diese Pläne
sind Makulatur. Aber auch die Türkei gewinnt nichts. Die ohnehin in weite Ferne
gerückte Aussicht auf einen EU-Beitritt wird nun zu einer Fata Morgana. Eine
bittere Entwicklung für die türkischen Oppositionellen, die für europäische
Werte in ihrem Land eintreten.

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