lz Lüneburg. Die LZ übersandte sowohl der 
Staatsanwaltschaft Hannover als auch dem Landgericht Hannover 
folgenden, jeweils gleichlautenden Fragenkatalog zur Stellungnahme. 
So sollten beide Behörden die Gelegenheit erhalten, auf gegen sie 
gerichtete Vorhalte zu reagieren. Beide Stellungnahmen haben wir im 
Wortlaut auf den Seiten 10 und 11 abgedruckt. Nachfolgend unser 
Fragenkatalog, der beiden zur Bearbeitung vorlag:
   1.) Wie bewerten Sie den Fall Witte/Wulfhorst, bei dem mit Blick 
auf die Staatsanwaltschaft Hannover und das Landgericht Hannover von 
dem „größten Justizirrtum“ der vergangenen Jahre in Niedersachsen die
Rede ist?
   2.) Wie ist es aus Ihrer Sicht zu bewerten, dass der damals 
zuständige Staatsanwalt die Aussage des vermeintlichen Opfers, 
Jennifer W., vom 15. September 2004, verschwiegen hat? Warum hat die 
Staatsanwaltschaft sich so verhalten?
   3.) Welche Bedeutung hätte die Aussage bei der beantragten 
Revision vor dem BGH gehabt?
   4.) Hat sich die Staatsanwaltschaft durch Verschweigen der 
genannten Aussage der Rechtsbeugung und der schweren 
Freiheitsberaubung im Fall Witte/Wulfhorst schuldig gemacht?
   5.) Warum hat die Staatsanwaltschaft Hannover die Aussage der 
Zeugin Jennifer W., vom 15. September 2004, erst im Januar 2008 
aufgedeckt?
   6.) Zu welchen Ermittlungsergebnissen kam die Staatsanwaltschaft 
Hannover, als sie den Hinweisen der Zeugin Jennifer W. zu einem 
angeblichen Vergewaltigungsring in Hannover nachgegangen war?
   7.) Als wie verlässlich haben Staatsanwaltschaft und Landgericht 
seinerzeit und heute die Aussagen der Zeugin bewertet?
   8.) Trifft es zu, dass der heutige Vorsitzende des 2. Strafsenates
des Oberlandesgerichtes in Celle, früher stellvertretender 
Behördenleiter der Staatsanwaltschaft Hannover war? Wäre er durch 
seine frühere Tätigkeit im Falle eines 
Ermittlungserzwingungsverfahrens gegen die Staatsanwaltschaft 
Hannover befangen?
   9.) Warum haben Staatsanwaltschaft und Landgericht Hannover nicht 
eine weitergehende psychologische Begutachtung der Zeugin Jennifer W.
veranlasst?
   10.) Warum wurde das Urteil des Landgerichtes Hannover mit O-Tönen
der weinenden Zeugin verfasst?
   11.) Hat das Landgericht Hannover mit denen im Fall 
Witte/Wulfhorst hinzugezogenen psychiatrischen Sachverständigen auch 
in anderen Missbrauchsverfahren zusammengearbeitet?
   12.) Wurden bereits andere Urteile des Landgerichtes Hannover in 
Missbrauchsprozessen aufgehoben?
   13.) Welche Konsequenzen ziehen Staatsanwaltschaft und Landgericht
Hannover aus dem Entschluss des Lüneburger Landgerichtes in dem Fall?
   lz Lüneburg/Hannover. Für das Landgericht Hannover bezieht nach 
dem Urteil des Landgerichtes Lüneburg Pressesprecher Dr. Matthias 
Kannengießer auf LZ-Anfrage Stellung:
   „In dem Missbrauchsprozess vor dem Landgericht Hannover haben die 
Richter an 42 Verhandlungstagen sorgfältig alle damals bekannten 
Tatsachen geprüft. Sie haben ausführlich die Zeugin J. und mehrere 
Sachverständige angehört. Im Ergebnis waren die Richter damals davon 
überzeugt, dass die Zeugin J. die Wahrheit sagte und dass die 
Angeklagten schuldig waren. Der Bundesgerichtshof hat diese 
Verurteilung überprüft und im Wesentlichen bestätigt. Erst nach dem 
Ende des Prozesses vor dem Landgericht Hannover wurden neue 
entlastende Tatsachen bekannt und im Wiederaufnahmeverfahren vor dem 
Landgericht Lüneburg geprüft. Diese neuen Tatsachen kannten die 
Richter des Landgerichts Hannover damals nicht und konnten sie 
deshalb in ihrem Urteil auch nicht berücksichtigen. Wenn die 
damaligen Gutachten aus heutiger Sicht möglicherweise z.T. mangelhaft
erscheinen, war dies für die Richter damals nicht erkennbar. Eine 
Kritik an den Richtern des Landgerichts Hannover geht daher fehl, 
denn heute sind mehr Tatsachen bekannt als damals. Zu Ihren sonstigen
Fragen kann von hier keine weitere Stellungnahme erfolgen, weil sich 
die Fragen entweder ausschließlich (Fragen Nr. 2, 4, 5 und 6) oder 
teilweise (Fragen Nr. 7, 9 und 13) an die Staatsanwaltschaften 
richten, sich auf eine subjektive Bewertung von Einschätzungen 
beziehen (Frage Nr. 1), Mutma“ßungen über Verfahren beim 
Bundesgerichtshof anstellen (Frage Nr. 3) oder die 
Staatsanwaltschaften und das Oberlandesgericht Celle betreffen (Frage
Nr. 8). Auskünfte über das damalige Revisionsverfahren beim 
Bundesgerichtshof (BGH), in dem das Urteil des Landgerichts Hannover 
im Wesentlichen bestätigt worden ist, bitte ich bei der Pressestelle 
des BGH einzuholen. Andere Wiederaufnahmeprozesse oder 
Missbrauchsprozesse vor dem Landgericht Hannover mit gleichgelagerten
Sachverhalten sind hier nicht bekannt.“
   lz Hannover. Kathrin Söfker, Pressesprecherin der 
Staatsanwaltschaft Hannover, nimmt zu dem Fall Witte/Wulfhorst 
Stellung:
   „Das Landgericht Hannover hat Ralf W. und Karl-Heinz W. am 7. Mai 
2004 nach ca. einjähriger Hauptverhandlung aufgrund der Aussage der 
Zeugin Jennifer W. verurteilt. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch
das Gericht haben die Aussage für glaubhaft und die Zeugin für 
glaubwürdig erachtet und sich bei ihrer Bewertung neben dem 
persönlichen Eindruck, den die Prozessbeteiligten von der Zeugin 
gewonnen hatten, auf drei unabhängige Sachverständigengutachten 
gestützt. Der BGH hat die Revision der Angeklagten später als 
unbegründet verworfen. Nach der Urteilsverkündung ist die Zeugin 
während des laufenden Revisionsverfahrens an die Staatsanwaltschaft 
Hannover herangetreten und hat am 15. September 2004 zu weiteren 
Straftaten, insbesondere einem Kinderpornoring, Hinweise gegeben, 
worauf ein weiteres Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Das 
Verfahren ist verdeckt geführt worden, um den Untersuchungszweck 
nicht zu gefährden. Ein hinreichender Tatverdacht hat sich in dem 
Verfahren letztlich nicht begründen lassen. Von der Einleitung des 
Verfahrens wurden Dritte, insbesondere der BGH, nicht in Kenntnis 
gesetzt. Die Erkenntnisse aus dem Ermittlungsverfahren wären im 
Revisionsverfahren vor dem BGH als neuer Tatsachenvortrag ohne 
Bedeutung gewesen und vom Revisionsgericht nicht berücksichtigt 
worden. Aus den vorgenannten Gründen waren sie zudem verdeckt zu 
führen. Soweit die Verteidigung des Ralf W. später aufgrund neuer 
Tatsachen ein Wiederaufnahmeverfahren erstrebt hat, war dem 
selbstverständlich nachzugehen. Die Staatsanwaltschaft hat deshalb 
von Amts wegen auch ein Wiederaufnahmeverfahren für Karl-Heinz W. 
eingeleitet. Im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens, in dem die 
Zeugin nunmehr von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machte, 
wurden die Angeklagten freigesprochen. Das schriftliche Urteil liegt 
noch nicht vor. Ein Kommentar zu den Urteilsgründen ist mir deshalb 
nicht möglich. Der Vorwurf der Rechtsbeugung ist nach hiesiger 
Kenntnis durch die Staatsanwaltschaft Lüneburg geprüft worden. Soweit
Ihre Fragen Bewertungen bzw. die Zuständigkeit anderer Behörden oder 
Gerichte betreffen, vermag ich dazu jedoch keine Stellungnahme 
abzugeben.“ Die LZ fragte bei der Staatsanwaltschaft Lüneburg nach, 
zu welchem Ergebnis sie im Verfahren gegen den damals zuständigen 
Staatsanwalt in Hannover gekommen ist. Gerhard Berger, Leitender 
Oberstaatsanwalt, sagte: „Das Verfahren wurde eingestellt. Die 
Beschwerde des Klägers dagegen wurde von der 
Generalstaatsanwaltschaft Celle verworfen, weil kein strafbares 
Verhalten vorhanden war.“
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Landeszeitung Lüneburg
Werner Kolbe
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