Lausitzer Rundschau: Alarmiert und abgehängt Neuer Armutsbericht liegt vor

Wenn nicht alles täuscht, dann wird der Kampf um
soziale Gerechtigkeit zu einem zentralen Wahlkampfthema in diesem
Jahr. Unter diesem politischen Vorzeichen steht auch der aktuelle
Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbandes. Folgt man seiner
Logik, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Zahl der
ausgegrenzten und abgehängten Menschen im Land die der besser
Situierten übersteigt. Auch so kann man Armut erzeugen, zumindest
eine gefühlte. Die Lebenswirklichkeit sieht jedoch etwas anders aus,
als es der neue „Höchststand“ bei der Armutsvermessung glauben machen
will. Es sind ja nicht nur die vielen Studenten, die sich in der
aktuellen Elends-Statistik wiederfinden, obgleich die allermeisten
von ihnen optimistisch in die Zukunft blicken dürften. Auch alle
Senioren mit Mini-Renten werden erfasst. Dass sie möglicherweise in
den eigenen vier Wänden leben oder zusätzlich über Kapitaleinkünfte
verfügen, wird statistisch nicht berücksichtigt. Umgekehrt spielen
Flüchtlinge bei den Armutszahlen keine Rolle, solange sie nur in
Gemeinschaftsunterkünften leben. Erst mit dem eigenen Haushalt ändert
sich das. Damit wird aber statistisch zum Makel, was für die
Betroffenen eigentlich ein Fortschritt ist. Kurzum, der Armutsbericht
der Sozialverbände taugt nur sehr eingeschränkt, um die Probleme mit
der Gerechtigkeit im Land zu beschreiben. Diese Probleme bestehen
sicher nicht in ein paar Monaten mehr oder weniger Arbeitslosengeld,
wie SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz meint. Sondern darin, dass zum
Beispiel gerade ältere Beschäftigte schwerer wieder einen neuen Job
finden, wenn der alte verloren ging. Hier kann nicht stärkere
Alimentierung die Lösung sein, sondern Qualifizierung und effektive
Betreuung durch die Arbeitsagentur, um möglichst rasch wieder in Lohn
und Brot zu kommen. Auch alleinerziehenden Müttern ist auf Dauer
nicht mit mehr Hartz IV geholfen, sondern mit umfassenden
Kita-Angeboten für den Nachwuchs, um von Teilzeit- in
Vollzeitbeschäftigung wechseln zu können. Und ihren Kindern wiederum
würde es helfen, wenn das Bildungssystem in Deutschland deutlich
durchlässiger als jetzt wäre. Denn noch immer entscheidet die soziale
Herkunft viel zu sehr über die Wertigkeit des Schulabschlusses. Ein
weiteres Problem sind sicher auch die vielerorts steigenden Mieten.
Mit dem weitgehenden Rückzug aus dem Sozialwohnungsbau trägt der
Staat dafür eine Mitschuld. Hier ist ein grundlegender Kurswechsel
notwendig. Mit der im vergangenen Jahr in Kraft getretenen
Wohngeldnovelle hat die Bundesregierung einen ersten Schritt getan.
Auch die Einführung des Mindestlohns darf als Beitrag zur Bekämpfung
von Armut gelten. Es ist nicht in erster Linie die
Verteilungsgerechtigkeit, an der es in Deutschland hakt. Es geht um
mehr Chancengerechtigkeit. Darauf sollten sich die SPD und die
anderen Parteien in ihren Wahlkampfkonzepten konzentrieren. Der
Armutsbericht dagegen erschöpft sich nur im Alarmismus.

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