Der Bundestagswahlkampf hat längst Fahrt
aufgenommen. Was durfte man da noch von einem Koalitionsausschuss
erwarten, wenn sogar schon dessen Teilnehmerliste im Vorfeld zum
Streitpunkt geraten war? Martin Schulz, der nach dem letzten
Wahlsonntag wieder etwas geerdete Überflieger der SPD, wollte dem
Treffen bekanntlich demonstrativ fernbleiben. Doch auch seine späte
Einsicht, dies könne ihm als Arbeitsverweigerung ausgelegt werden,
hat keine Wunder bewirkt. Nach dem sechseinhalbstündigen Plausch der
Partei-, Fraktions- und Regierungsspitzen im Kanzleramt ist die Liste
der Konfliktpunkte jedenfalls deutlich länger geblieben als die der
abgehakten Positionen. Ein solches Szenario war von Union und SPD
freilich auch bewusst gewollt. Der Wahlkampf ist noch lang. Da mochte
keine Seite schon ihr ganzes Pulver verschießen. Besonders
durchsichtig ist dieser Vorsatz bei den Sozialdemokraten gewesen.
Fast vier Jahre lang haben sie die „Ehe für alle“ ignoriert. Erst vor
ein paar Tagen zauberten die Genossen dazu einen Gesetzentwurf aus
dem Hut, der sich nur in Spurenelementen von einer Vorlage der Grünen
unterscheidet, die bereits seit 2014 im Bundestag schmort und von der
Union aus ideologischen Gründen nicht mitgetragen wird. So diente das
Manöver in erster Linie dazu, politische Distanz zu den C-Parteien zu
demonstrieren. Ob die SPD mit diesem Randthema entscheidend punkten
kann, steht freilich auf einem anderen Blatt. Der Wunsch vieler
Frauen, problemloser vom Teilzeitjob in eine Vollzeitbeschäftigung
zurückkehren zu können, hat da eher das Zeug zum Wahlkampfschlager.
Genauso wie der allgemeine Ärger über exorbitant hohe Managergehälter
Auch wenn die Koalitionsvereinbarung dazu wenig ins Detail geht, so
hatten sich Union und SPD doch einvernehmlich vorgenommen, beide
Probleme zu entschärfen. Dass die C-Parteien hier trotzdem auf stur
geschaltet haben, wird ihnen womöglich noch leidtun. An dieser Stelle
offenbart sich allerdings ein unterschiedliches strategisches
Verhaltensmuster, das auch im Drehbuch für die weiteren
Wahlkampfauseinandersetzungen stehen dürfte. Während die
Sozialdemokraten darauf verweisen, was sie alles noch an guten
sozialen Taten durchsetzen wollten, scheint die Union auf die
Botschaft Wert zu legen, was sie alles „Schlimmes“ verhindern konnte.
Beide Lager sind hier vom Willen nach einer möglichst großen
Unterscheidbarkeit getrieben. So markiert der wohl letzte
Koalitionsausschuss in dieser Wahlperiode gewissermaßen auch das Ende
dieser Großen Koalition. Die auf beiden Seiten auffällig moderate
Kommentierung der dürftigen Verhandlungsergebnisse belegt allerdings,
dass Union und SPD sich Hintertüren offen lassen. Schwarz-Rot oder
Rot-Schwarz – vielleicht sieht man sich nach der nächsten
Bundestagswahl ja doch in einer gemeinsamen Regierung wieder, mit
welchem Regierungschef auch immer.
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