Gerhard Schröder und Joschka Fischer nannten
Afghanistan eine „Friedensmission“, CDU-Verteidigungsminister
Franz-Josef Jung sprach von einem „Stabilisierungseinsatz“. Acht
Jahre lang, bis 2009, hat die deutsche Politik das Geschehen fern am
Hindukusch verharmlost, hat daraus eine Art Brückenbauen mit
Begleitschutz gemacht. Sie hat sich damals übrigens auch relativ
selten sehen lassen an der Front, die nicht so hieß, sondern
verschämt „deutscher Verantwortungsbereich“. Kanzlerin Angela Merkel
fand erst Ende 2007 zum ersten Mal den Weg dorthin. Politik und
Öffentlichkeit schoben die Lage in Afghanistan weit von sich weg. Die
Soldaten wurden ziemlich allein gelassen. Die Folgen für die
Strategie des Einsatzes ebenso wie für die Ausrüstung der Soldaten
waren teilweise verheerend. An der jüngsten Reisewelle Richtung
Kundus sieht man, wie sehr sich die Lage verändert hat. Karl-Theodor
zu Guttenberg, der am Sonnabend die Kanzlerin begleitete und damit
schon zum zweiten Mal innerhalb einer Woche vor Ort auftauchte, hat
schon einen Afghanistan-Koffer mit braunem Rollkragenpullover,
Blouson und schweren Tropenstiefeln. In jeder Lage fotogen. Bei den
vielen Bildern von den gemeinsamen Essen in der Kantine, von den
Gesprächen im Vorposten und den Tannenbaumübergaben im Lager, bei
dieser ganzen Popularisierung samt Kerner-Show und Ministergattin
kriegt man unwillkürlich Lili Marleen ins Ohr: „Vor der Kaserne, vor
dem großen Tor.“ Guttenberg sprach als erster von einem
„kriegsähnlichen Konflikt“ und steigerte sich dann noch. Die Soldaten
würden es Krieg nennen, er auch. Angela Merkel hat bei ihrem jüngsten
Blitzbesuch am Wochenende auch diese Feinheiten beiseitegeschoben und
klar von Krieg gesprochen. Für die Soldaten ist die Entwicklung
zweifellos positiv: Sie schafft endlich eine realistische Wahrnehmung
der Lage, was auch für realistische Entscheidungen nicht ganz
unbedeutend ist. Und sie schafft so etwas wie Anerkennung. Aber warum
ist das Kriegsgerede plötzlich für die Regierenden so risikolos und
die Frontbesuche so attraktiv? Sind die Deutschen kriegsbegeisterter
geworden? Mitnichten. Der Grund ist ganz einfach, dass die Bundeswehr
in einem Jahr mit ihrem Abzug beginnen wird. Jetzt, wo er fast vorbei
ist der Krieg, will die Politik schnell noch ein wenig von „unseren“
Helden profitieren, ehe sie wieder nach Hause kommen. So läuft die
Geschichte in Afghanistan und endet damit so verdruckst und verlogen,
wie sie begann.
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