Tatsächlich hat ein Tsunami im fernen Japan und
der Ausfall der Stromversorgung in vier Kernkraftblöcken eine
durchschlagende Auswirkung auf die Zukunft der Lausitz. Denn die
wichtigste Industrie dieser Region, die Stromerzeugung, hängt jetzt
mehr als zuvor von Debatten ab, die zunächst nicht das Geringste mit
der hier gelagerten Braunkohle und ihrer Verfeuerung zu tun haben.
Die komplexen Zusammenhänge, die zwischen der in Deutschland
herrschenden Angst vor radioaktiver Verseuchung und dem Aufschluss
neuer Tagebaue bestehen, könnten Bücher füllen und können hier in
Kürze auch nur angedeutet werden. Mit dem Abschalten von
Atomkraftwerken wächst der Bedarf an sicherer Elektrogrundversorgung
und gewinnen die Braunkohlekraftwerke neue Chancen. Beim Blick auf
die Risiken moderner Großtechnologie sinkt auf der anderen Seite die
Bereitschaft, sich auf Experimente einzulassen, bei denen Millionen
von Tonnen an Klimagasen unterirdisch gespeichert werden. Und keiner
weiß, wie sich die Angst vor dem Atom verhält zu der Furcht vor dem
Klimawandel, der wiederum von der Kohleverfeuerung beeinflusst wird.
All dies sind Faktoren, die die Entscheidung mit beeinflussen werden,
ob der derzeitige Kraftwerkspark in der Lausitz ein Auslaufmodell ist
oder erneuert wird. Und mit dieser Entscheidung steht auch die
wirtschaftliche Zukunft der Region, stehen Tausende von
Arbeitsplätzen zur Diskussion. Wenn möglichst 2040, spätestens 2050
der Strom in Deutschland ausschließlich aus erneuerbarer Energie
kommen soll, wenn dieses allseits propagierte Ziel das Handeln
bestimmen soll, werden sich Investitionen in Milliardenhöhe in
traditionelle Kraftwerke nicht rechnen. Die Lausitz braucht zu genau
dieser Frage schnell Klarheit. Sie braucht eine Entscheidung, die
Brücken möglich macht in eine neue Zeit. Und diejenigen, die dafür
gewählt wurden, solch eine Entscheidung herbeizuführen, sitzen in
Dresden und Potsdam. Die Landesregierungen von Sachsen und
Brandenburg sind zuallererst dafür verantwortlich, dass bei der so
breiten, bis nach Japan reichenden Energiediskussion die Lausitz
nicht vergessen wird. Derzeit aber macht ein jeder seins in der
Debatte. Potsdam schimpft auf Berlin, Dresden hält sich raus,
zwischen beiden ist noch nicht einmal im Ansatz eine Koordinierung
erkennbar, und die Bundesregierung ist froh, dass sie jetzt nicht
auch noch mit regionalen Problemen belästigt wird. Dieses
Nebeneinander ist das größte Problem und birgt zumindest für die
Menschen hier größere Risiken als weit entfernte Atomkraftwerke. Es
mag weniger anstrengend sein, über Japan zu klagen – aber geredet
werden muss über die Lausitz.
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