Jaroslaw Kaczynskis fundamentalistischer
Katholizismus und seine kruden Ansichten von Opposition und
Rechtsstaatlichkeit sind mit den Werten Europas nur schwer zu
vereinbaren. Aber es ist nun auch noch nicht so schlimm, dass man
gleich ganz den Stab brechen müsste. Zu Recht hat sich Angela Merkel
in Warschau mit öffentlicher Kritik zurückgehalten, ohne das Thema
völlig zu verschweigen. Zumal es viele gemeinsame Interessen gibt.
Polen will zu allererst Sicherheit vor Russland. Und seit die USA mit
Donald Trump dafür keine Garantie mehr sind, gibt es für Warschau nur
noch einen Ansprechpartner: Europa, vor allem Deutschland. Kaczynski,
der gegenüber Berlin viele großmäulige Sprüche geklopft hat, merkt
nun wohl, dass man sich besser nicht alle gleichzeitig zum Feind
macht. Das alte Weimarer Dreieck – Frankreich, Deutschland, Polen –
ist die Kernachse der divergierenden Interessen auf dem Kontinent. Es
muss nun wiederbelebt werden. Sicher wird man die Wahlen in wichtigen
europäischen Ländern in diesem Jahr abwarten, doch dann muss eine
Reform begonnen werden. Das Ziel „immer mehr Europa“ ist derzeit
nicht zu halten. Die EU muss sich auf ihren Kern besinnen, den
gemeinsamen Markt, die Sicherung der Außengrenzen, Umwelt- und
Sozialstandards, wenn sie nicht auseinanderfliegen will. Das ist
wegen Brexit und Trump besonders Deutschlands Interesse. Also ist
auch von Berlin jetzt Kompromissbereitschaft gefragt. Zum Beispiel
bei der Flüchtlingspolitik. Kaczynskis Ankündigung, den Flüchtlingen
stärker an ihren Herkunftsorten zu helfen, könnte die Basis für einen
Minimalkompromiss sein. Geld gegen Menschlichkeit. Kein schöner
Kompromiss wäre das, gemessen an dem Optimismus, mit dem das
europäisch- polnische Verhältnis 2004 einmal anfing. Aber Politik
geht oft zwei Schritte vor, einen zurück. Jetzt wird eben einer
zurück gemacht. Wenn möglich gemeinsam.
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