Es wird niemandem mehr nützen, wenn jetzt mit Tilo
Sarrazin der Mann kaltgestellt werden soll, der endlich das Problem
der missratenen Integration vieler Nachkommen von Einwanderern zum
großen Thema gemacht hat. Denn was immer man ansonsten von den
Behauptungen und Schlussfolgerungen des bei der Bundesbank
untergekommenen SPD-Politikers halten mag, er hat etwas angesprochen,
was insbesondere in den Großstädten der Bundesrepublik seit Jahren
für Aufregung sorgt. Wer jemals eine dieser Gruppen von jungen
Männern erlebt hat, die sich in Bussen oder Bahnen ungestraft das
Recht des Stärkeren herausnehmen, wer die erschreckenden Statistiken
über die Kriminalitätsbelastung und die abgebrochenen
Ausbildungsversuche von Einwanderer-Kindern kennt, der fragt sich,
warum es erst des Buches von Herrn Sarrazin bedurfte, um die Politik
hinreichend zu alarmieren. Und er wird dann auch besser verstehen,
dass viele, viele Menschen es befremdlich finden, mit welchem Aufwand
jetzt gegen diesen Mann vorgegangen wird. Dann, wenn im Alltag dieser
Menschen praktische Hilfe nötig wäre gegen Zumutungen, die von genau
dieser fehlgeschlagenen Integration herrühren, ist keine
Bundeskanzlerin und kein Bundespräsident zur Stelle. Sicher sorgt
Sarrazin mit einigen seiner Thesen für überflüssige Verwirrung. Es
gibt bei Zuwanderern genau so wenig den Fluch eines schlechten
genetischen Erbes, wie es bei Juden nicht per Geburt eine gewisse
Schläue gibt. Und aus Gutem, historisch gerade in Deutschland
nachvollziehbarem Grund macht unsere Verfassung die Menschenwürde
nicht von den Genen abhängig, sondern spricht sie allen, unabhängig
von Herkunft und Staatsangehörigkeit gleichermaßen zu. Aber damit ist
kein Freibrief für die Entwicklung einer Subkultur verbunden, die
ihrerseits ein Angriff auf diese Menschenwürde ist und zu der die
Politik viel zu lange geschwiegen hat. Einwanderung darf im Gefühl
der Menschen nicht in Landnahme ausarten. Respekt vor einer anderen
Kultur und Religion endet dort, wo Einwanderer zentrale Werte unserer
Zivilisation infrage stellen. Die Berufung auf den Islam legitimiert
nicht Intoleranz und Gewaltbereitschaft gegenüber Andersgläubigen.
Wer nun glaubt, diese Selbstverständlichkeiten würden von der Politik
auch durchgesetzt, der lebt fernab der sozialen Brennpunkte. Denn
dort wird Tag für Tag darum gekämpft. Und deswegen ist manches an dem
Beifall, den Sarazzin bekommt, durchaus zu verstehen. Dass er darüber
hinaus auch in Gegenden Zuspruch erhält, in denen sich kaum
Einwanderer finden, steht freilich auf einem ganz anderen Blatt.
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