Lausitzer Rundschau: Hätte, wenn und aber Auf Angela Merkel wartet ein turbulenter Sommer

Wenn Angela Merkel jetzt nach Südafrika zur
Fußballnationalmannschaft reist, wird sie sicherlich mit Freude
fahren. Weil es dort weit und breit keine Heckenschützen geben wird,
keine leidigen Debatten über Führung, Koalitionskrise, Wahldebakel.
Nur Fußball-WM. Ein wenig Zeit zum Verschnaufen, die Merkel bitter
nötig hat. Denn nach dem Drama bei der Bundespräsidentenwahl steht
der Kanzlerin eine Sommerpause der turbulenteren Art bevor. Es hätte
doch alles so schön sein können: Die Arbeitslosigkeit sinkt, der
Aufschwung kommt, die Euro-Krise ist eingedämmt, Guido Westerwelle
und Horst Seehofer geben keine bissigen Interviews. Und Christian
Wulff wird gleich im ersten Wahlgang zum Präsidenten gewählt.
Beschwingt hätte die Koalition in den Sommer aufbrechen können.
Hätte, wenn und aber, angesichts des Verlaufs der Bundesversammlung
zählt das alles nicht mehr. Wieder ist ein Aufbruch der kränkelnden
Koalition durch die Zitterpartie der drei Wahlgänge daneben gegangen.
Der wievielte versuchte Neustart war das eigentlich? Es gab in acht
Monaten zig Kungelrunden der Parteivorsitzenden zur Klimapflege, es
gab eine Kabinettsklausur vor den Toren Berlins, dann noch eine
Sparklausur, und immer wieder getrennte Tagungen von Union und FDP,
nach denen gezwitschert wurde: Wir haben verstanden, wir brauchen
mehr Teamgeist. Dieselben Botschaften hat man auch nach der
Bundesversammlung gehört – wie von einer Schallplatte mit einem
Kratzer. Die Realität ist eine andere. Eine Koalition funktioniert
nicht dadurch, dass man sie immer und immer wieder gesundbetet. Der
Zustand des schwarz-gelben Bündnisses ist deswegen so dramatisch
schlecht, weil Union und FDP einen Berg an unerledigten Streitthemen
vor sich her schieben: Steuern, Gesundheit, Wehrpflicht, Elterngeld,
Mehrwertsteuerreform, Atomlaufzeitverlängerung, es herrscht freie
Auswahl bei der Suche nach Themen, mit denen Sommerlöcher gefüllt
werden können. Und Union und FDP werden nach dem Drama in der
Bundesversammlung bereitwillig liefern. Denn diese Präsidentenwahl
hat gezeigt, dass im bürgerlichen Lager die Lust an der
Rücksichtslosigkeit und Selbstzerstörung inzwischen größer ist als
der Wille zur politischen Vernunft. Das ist Angela Merkels Problem.
Ihre Autorität ist durch ihr Abwarten im Koalitionshickhack
zerbröselt, und sie hat nun nicht mehr viel Zeit, zu zeigen, dass sie
auch anders kann, um die Koalition zu retten. Die nächsten
wegweisenden Landtagswahlen sind im Frühjahr. Spätestens dann wird
sich entscheiden, ob die Kanzlerin ein politisches Sommermärchen
erleben wird – oder bloß Fußball.

Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de