Berlin wirkt derzeit wie der große
finanzpolitische Diktator Europas. Es beruft sich darauf, dass die
deutschen Steuerzahler den größten Anteil am Euro-Rettungsschirm zu
tragen haben. Erst für Griechenland, jetzt für Irland, demnächst für
Portugal und, wer weiß, womöglich auch Spanien. Selbst wenn Angela
Merkel anders wollte – sie würde von den Wählern weggefegt, wenn sie
hiesige Steuermilliarden in ausländische Fässer ohne Boden pumpen
würde, in den griechischen Schlendrian, in das mit Steuerdumping
erreichte irische Wachstumswunder oder in die auf Pump bezahlten
iberischen Immobilienträume. Die deutschen Forderungen an die
genannten Länder, ihre Haushalte in Ordnung zu bringen, ihre
Körperschaftssteuern zu erhöhen und ihre Wirtschaften zu
stabilisieren, scheinen also berechtigt. Wer bezahlt, der bestimmt
auch die Musik. Doch vorsichtig mit den Steinen, wenn man selbst im
Glashaus sitzt. Deutschland glänzt mit seiner Schuldenbremse, aber
hierzulande wurden bis vor Kurzem auch in Boom-Jahren noch kräftig
Schulden gemacht, übrigens auch unter Merkels Führung. Und
Deutschland hat erheblich dazu beigetragen, dass es in Europa große
Ungleichgewichte und viele ökonomische Scheinblüten gibt. Berlin,
damals Bonn, wollte den Euro auch für schwache Länder, denn
Deutschland brauchte die europäischen Absatzmärkte für seine
gigantische Exportindustrie. Gleichzeitig sorgte es mit niedrigen
Nettolohnzuwächsen dafür, dass aus diesen Ländern wenig importiert
wurde. Nun gerät dieses ganze schiefe Wachstumssystem Europas ins
Rutschen. Scheitert der Euro, dann scheitert Europa, dieser Satz der
Kanzlerin ist nicht übertrieben. Aber er fordert auch vom eigenen
Land eine Korrektur.
Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau
Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de