Lausitzer Rundschau: Unruhige Zeiten für die SPD Zum Wechsel von EU-Parlamentspräsident Schulz in die Bundespolitik

Das wirkt doch merkwürdig unsortiert: Noch am
Montag hatte sich Sigmar Gabriel von den Führungsgremien seiner
Partei einen Fahrplan für die Beantwortung der K-Frage absegnen
lassen. Demnach soll erst Ende Januar feststehen, wer für die SPD
gegen Angela Merkel ins Rennen geht. Und nur drei Tage später gibt
Martin Schulz, neben Gabriel der einzige ernsthafte Aspirant für die
SPD-Kanzlerkandidatur, seinen Umzug von Brüssel in die Bundespolitik
bekannt. Diese Ansage wird der SPD noch unruhige Wochen bescheren.
Von einem geordneten Verfahren, wie es Gabriel in der K-Frage gern
gehabt hätte, kann jedenfalls kaum die Rede sein. Schulz hat bis
zuletzt beteuert, am liebsten weiter EU-Parlamentspräsident bleiben
zu wollen. Doch offenkundig machte ihm die Europäische Volkspartei,
in der auch die EU-Abgeordneten der Union organisiert sind, einen
Strich durch die Rechnung. Vielleicht spielte dabei auch eine Rolle,
dass die C-Parteien schon zähneknirschend den SPD-Favoriten
Frank-Walter Steinmeier als Präsidentschaftskandidaten akzeptieren
mussten. Noch ein weiteres „Geschenk“ für die Sozialdemokraten wäre
da aus Unions-Sicht wohl der Schmach zu viel gewesen. Umso mehr
erweckt Schulz nun allerdings auch den Eindruck, dass es sich bei
seiner nationalen Anschlussverwendung – in welchen Ämtern auch immer
– um einen Notnagel handelt. Um eine politische Karriere zweiter
Wahl. Natürlich wäre Schulz schon aufgrund seiner großen
europapolitischen Erfahrung kein schlechter Außenminister. Aber ginge
zugleich auch SPD-Kanzlerkandidat, wie er es womöglich anstrebt? Im
Bundestagswahljahr 2009 übte Frank-Walter Steinmeier beide Jobs in
Personalunion aus. Das Ende ist bekannt: Mit nur 23 Prozent fuhren
die Sozialdemokraten ihr schlechtestes Wahlergebnis in der
Nachkriegsgeschichte ein. So muss es nicht wieder kommen. Aber ein
Merkel-Herausforderer, der praktisch bis zum Schließen der Wahllokale
in die Kabinettsdisziplin eingebunden ist, kann sich nur bedingt als
leuchtende Alternative empfehlen. Für Sigmar Gabriel gilt das
übrigens genauso. Und Gabriel hat noch ein weiteres Problem: Würde er
die Spitzenkandidatur Schulz überlassen, müsste er auch um seine
innerparteiliche Autorität fürchten. Ein SPD-Chef, der sich zum
zweiten Mal in Folge vor der Rolle des Merkel-Herausforderers drückt,
wäre nur noch ein schwacher Chef. Mit derlei Gedankenspielen dürfte
die SPD nun verschärft konfrontiert sein. Die Personalfrage wird
alles andere überlagern. Dabei wäre es auch einfacher gegangen.
Anstatt auf schwerlich haltbare Zeitpläne zu pochen, hätten Gabriel
und Schulz schon am Montag gemeinsam im Willy-Brandt-Haus über ihre
politische Zukunft Farbe bekennen können. Das wäre einen Tag nach dem
verkündeten Wiederantritt Angela Merkels eine couragierte Botschaft
gewesen. So aber geht das Gezerre in der K-Frage weiter – sehr zum
Verdruss des Publikums.

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