Angela Merkel hat schon komfortablere
Regierungszeiten erlebt. Was war das noch bequem, als sich die
Kanzlerin auf solide Mehrheiten auch in der Länderkammer stützen
konnte. Im ersten Jahr Schwarz-Gelb und erst recht in den vier Jahren
der Großen Koalition. Damit ist es seit Freitag für jedermann
sichtbar vorbei. Aus eigener Kraft können Union und FDP kein
wichtiges Gesetz mehr durchbringen. Das belegt die
Abstimmungsniederlage bei der Hartz-IV-Reform. Die kommenden
Landtagswahlen dürften diesen misslichen Zustand für Merkel noch
verfestigen. So wird ein fast schon vergessen geglaubtes
Kungel-Gremium wieder an Bedeutung gewinnen, das zuletzt in den
späten Regierungsjahren von SPD und Grünen die Politik dominierte:
der Vermittlungsausschuss. Die Renaissance dieser Art von Politik
muss für Angela Merkel trotzdem kein Nachteil sein. Das von ihr einst
im Wahlkampf 2005 verkündete Credo, die Republik „durchregieren“ zu
wollen, konnte sie sowieso nie realisieren, weil die SPD mitredete.
Fortan waren andere Qualitäten gefragt. Und Merkel verstand sich
geschickt darauf. Ihre Rolle als politische Moderatorin geriet erst
in die Kritik, als sie auch im anschließenden Koalitionsbündnis mit
der FDP daran festzuhalten suchte. So schaltete Merkel erst spät auf
einen „Herbst der Entscheidungen“ um, an den sich nach Lage der Dinge
nun fast zwangsläufig wieder eine Zeit der Kompromisse mit dem
politischen Gegner anschließen muss. Ob sie ihre Partei, die CDU,
dabei mitnehmen kann, steht auf einem anderen Blatt. Denn das
Feilschen um Kompromisse bedeutet auch immer eine Verwischung des
eigenen politischen Profils. Wer jedoch dieses Risiko scheut,
beschwört eine politisch blockierte Republik herauf. Höhere
Regelsätze, subventioniertes Mittagessen und eine größere
Bildungsteilhabe für arme Kinder sind indes das falsche Objekt, um
das Vermittlungsverfahren auf die Spitze zu treiben. Denn was dazu
bereits auf dem Tisch liegt, ist auf jeden Fall durchdachter und
solider, als die geltende, verfassungswidrige Regelung. Das wissen
auch SPD und Grüne. So lang ihr Wunschkatalog für eine
zustimmungsfähige Reform auch sein mag, ein wirklicher Punktgewinn in
der Wählergunst lässt sich an dieser Stelle durch eine Blockade kaum
erzielen. Schließlich gibt es genügend Menschen, die sich ihr
Auskommen hart erarbeiten müssen, aber trotzdem beinahe an der
Armutsschwelle leben. Nicht nur die Regierung, auch die Opposition
muss also an einer zügigen Einigung interessiert sein. Für Angela
Merkel sind das nicht die schlechtesten Ausgangsbedingungen, um in
die Zeit der All-Parteien-Kompromisse zu wechseln. In ihre alte Rolle
als Moderatorin.
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