Vielleicht hält sich Angela Merkel mit ihren
politischen Reiseaktivitäten demnächst etwas zurück. Als die
Kanzlerin und CDU-Chefin im Mai die Golfstaaten besuchte, kündigte
ihr Parteifreund Roland Koch überraschend seinen politischen Rückzug
an. Am Wochenende weilte Merkel wieder fern der Heimat, und prompt
warf mit Ole von Beust ein weiterer Landesvater aus den eigenen
Reihen das Handtuch. Aber im Ernst: Das zeitliche Zusammentreffen
solcher Ereignisse ist sicher Zufall. Nachdenklich sollte Merkel
allerdings stimmen, dass die Führungsreserve der CDU ziemlich
überschaubar geworden ist. Friedrich Merz kapitulierte, Roland Koch
resignierte, Dieter Althaus ging in die Wirtschaft, Günther Oettinger
zog es nach Brüssel, Christian Wulff ins höchste Staatsamt der
Republik, Jürgen Rüttgers in die innere Emigration, und nun wechselt
auch noch Ole von Beust wegen notorischer Amtsmüdigkeit in den
politischen Ruhestand. Zweifellos trägt Merkel für diesen Aderlass
ein hohes Maß an Verantwortung. Ihr wird wenig Teamfähigkeit
nachgesagt, dafür ein ausgeprägtes Misstrauen und die Eigenschaft
ihres Ziehvaters Helmut Kohl, alle heiklen Probleme auszusitzen. Mit
von Beust verliert Merkel den Schrittmacher bei der Bildung der
ersten schwarz-grünen Regierung auf Landesebene. Sein Abgang dürfte
den parteiinternen Anhängern des klassischen politischen Lagerdenkens
in die Hände spielen, das sich wegen des real existierenden
Fünf-Parteien-Systems eigentlich überholt hat. Zur ganzen Wahrheit
gehört aber mehr als Merkels zweifelhafter Führungsstil. Spätestens
mit dem unrühmlichen Rücktritt von Horst Köhler ist die
Berufsauffassung einer ganzen Politiker-Generation ins Gerede
gekommen. Wo früher Pflicht und Verantwortung die zentralen
Prinzipien zu sein schienen, gibt es heute eine immer stärkere
Neigung, dem aufreibenden Arbeitsalltag zu entfliehen und sich auf
ein Leben „nach der Politik“ zu kaprizieren. Zumal dafür ein
auskömmliches Einkommen auf Staatskosten winkt, von dem
Otto-Normal-Bürger im Ruhestand nicht einmal zu träumen wagen. Der
Politikerverdrossenheit hat von Beust sicher einen Bärendienst
erwiesen. Was die CDU angeht, so verfügt sie zweifellos immer noch
über eine Reihe von Nachwuchstalenten. Genannt seien nur
Bundesumweltminister Norbert Röttgen oder Baden-Württembergs
Regierungschef Stefan Mappus. Sie müssen sich allerdings erst noch
bewähren. Die Kanzlerin sollte aus ihren Fehlern lernen und die
Teambildung vorantreiben, bevor die verbliebenen Hoffnungsträger
ebenfalls das Weite suchen.
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