Licht am Ende des Tunnels

Die meisten zucken bei diesem Wort zusammen, doch für die 5-köpfige Familie bedeutete
das Verbraucher-Insolvenzverfahren, so die offizielle Bezeichnung, das Ende eines
Albtraums, der vor gut zehn Jahren begann. Als Retter in der Not erwies sich für sie der vor
22 Jahren im bayerischen Karlsfeld gegründete Verein für Existenzsicherung e. V., der seit
einigen Monaten in Berlin-Köpenick eine Außenstelle unterhält. Und weil Bianca Pollack
ein sozialer Mensch ist und von ihren Erfahrungen – positiven wie negativen – gerne
abgibt, engagiert sie sich seither ehrenamtlich in jenem Verein, dem sie das Licht am Ende
des Tunnels verdankt.

„Schulden sind keine Schande, vor allem, wenn man so wie wir in die berühmte
Schuldenfalle getappt ist“, erzählt Bianca Pollack. „Man muss nur die Kraft finden, den
ersten Schritt zu tun, darüber zu sprechen und Hilfe zu akzeptieren“. Ende der 90er-Jahre
fiel die heute 40-Jährige auf ein so genanntes Steuersparmodell herein, nahm einen
Immobilienkredit auf, der sich angeblich „von ganz alleine“ finanzieren sollte. Doch die
Mieteinnahmen flossen nicht so wie versprochen, und als dann noch im vorigen Jahr ihr
Mann schwer erkrankte und monatelang nicht arbeiten konnte, fiel es der Familie immer
schwerer, die Raten zu zahlen und über die Runden zu kommen.

Glück im Unglück – die zierliche Straßenbahnerin lernte Martina Oeder vom Verein für
Existenzsicherung (VfE) kennen. Anders als bei der staatlichen Schuldnerberatung, wo sie
ein viertel Jahr auf einen Termin warten musste, erhielt sie hier sofort praktische Hilfe.
Gerade die Rückabwicklung dubioser Finanzgeschäfte hat sich der Verein neben der
normalen Schuldnerberatung auf die Fahnen geschrieben. Er vertritt die Interessen
Geschädigter gegenüber Banken und Behörden, prüft Versicherungen und Verträge, hilft
– wenn es denn keinen anderen Ausweg gibt – bei der Abwicklung eines Verbraucher-
Insolvenzverfahrens. Bei letzterem wird über sechs Jahre ein bestimmter Teil des
monatlichen Einkommens gepfändet, übrig bleibt ein genau auf die Lebenssituation
zugeschnittener Betrag. Nach sechs Jahren werden Betroffene – sofern sie keine neuen
Schulden angehäuft haben – von der Restschuld befreit. Ein wirtschaftlicher Neuanfang ist
möglich.

Einen Neuanfang erlebte Bianca Pollack schon jetzt. Die Mitarbeit im VfE hat ihren Alltag
bereichert. Als einzige Ehrenamtliche im kleinen Köpenicker Team berät sie jetzt selbst
Ratsuchende. „Vielleicht kann ich anderen helfen, dass es gar nicht so weit kommt“, verrät
sie etwas über die Motivation für ihr neues „Hobby“. Dabei verzichtet sie ganz bewusst auf
ihre Anonymität, denn sie weiß, dass es auch unter BVGern „Leidensgenossen“ gibt,
wurden doch ganz gezielt Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes angesprochen, als die so
angeblich lukrativen Steuersparmodelle Hochkonjunktur hatten.

Als Betroffene bringt sie die notwendige Glaubwürdigkeit für ihren Zweitjob mit, das
fachliche Wissen holt sie sich bei Schulungen und in den Gesprächen im Verein. Aber
auch das Bürgerliche Gesetzbuch und die Steuergesetze gehören neuerdings zur Lektüre
der Straßenbahnfahrerin, die ausschließlich Frühdienste fährt und zwei bis dreimal in der
Woche zur zweiten „Schicht“ im Vereinsbüro antritt. „So individuell, wie Atmosphäre und
Beratung bei uns sind, so individuell kann ich mir auch die Zeit dafür einteilen“, erzählt
Bianca Pollack.

Und was sagt die Familie zur neuen Freizeitbeschäftigung von Ehefrau und Mutti? „Wir
haben das vorher genau besprochen, ohne das Einverständnis meiner Lieben hätte ich
nicht zugesagt“, verrät die BVGerin, der ehrenamtliches Engagement beispielsweise als
Elternsprecherin oder Übungsleiterin – sie war selbst Leistungsturnerin – nicht fremd ist.
Bianca Pollack hat wieder Spaß am Leben – nicht nur, weil sie selbst Licht am Ende des
Tunnels sieht, sondern auch, weil sie selber anderen den Hoffnungsfunken entzündet.

Kerstin Marquard