LVZ: Kohl-Vertrauter greift de Maizière an: Ex-Regierungschef schreibe in seinem Erinnerungsbuch die Unwahrheit und habe 1990 Kohls Sturz im Blick gehabt

Der letzte Vorsitzende der Ost-CDU und erste und
letzte demokratisch gewählte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière
ist wegen seines Erinnerungsbuchs („Ich will nicht, dass meine Kinder
lügen müssen“), das an diesem Mittwoch von der CDU-Vorsitzenden und
Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgestellt wird, in die Kritik
geraten.

Er schreibe über die entscheidenden Vorgespräche, die Anfang 1990
zur „Allianz für Deutschland“ als Wahlkampfbündnis von Ost-CDU,
Demokratischem Aufbruch (DA) und Deutscher Sozialer Union (DSU)
geführt hätten, „nicht die Wahrheit“. Außerdem habe er die Absicht
gehabt, „mit seinen Freunden im Westen den Sturz von Helmut Kohl zu
betreiben“. Das behauptet der seinerzeitige enge Kohl-Vertraute Willy
Wimmer in einer Erklärung gegenüber der „Leipziger Volkszeitung“
(Dienstag-Ausgabe). Wimmer war im Wendejahr Vorsitzender des
einflussreichen CDU-Bezirksverbandes Niederrhein und
Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium.

Bei einem von Wimmer (der hatte sich telefonisch mit Kohl
abgestimmt, der sich zu dieser Zeit in seinem Bungalow im heimischen
Oggersheim aufhielt) mit de Maizière geführten Gespräch am 27. Januar
1990 in Neuss habe sich der ostdeutsche Politiker bitter über den
Bundeskanzler und über dessen verkündetes „Gesprächsembargo“
zwischen der DDR-Blockpartei CDU und der West-CDU beklagt. Dem
Gespräch vorausgegangen sei, so Wimmer, ein 45-minütiges Telefonat de
Maizières mit dem bekannten Kohl-Kritiker Heiner Geißler. Vermittelt
hatte dieses entscheidende West-Ost-Gespräch im Rheinischen
seinerzeit Alfons Kranz, Verlagsgeschäftsführer der
„Neuss-Grevenbroicher Zeitung“. In Neuss habe de Maizière „von
vornherein klargemacht, dass er vor seinem persönlichen Scheitern
stehe, dass er wegen der bestehenden Gesprächsverweigerung mit ihm
den Bundeskanzler für die gewaltige Ausreisewelle aus der noch
bestehenden DDR persönlich verantwortlich mache und dass er deshalb
mit seinen Freunden im Westen den Sturz von Helmut Kohl betreibe“.

Nach „stundenlangen Gesprächen“ und einem „überbrachten Gruß von
Herrn Kohl“ habe sich de Maizière dann in Neuss doch auf ein anderes
Verhalten besonnen. Es sei deshalb wenig später zu einem Treffen
Kohls mit de Maizière und zur „Allianz für Deutschland“ gekommen, die
ursprünglich als „Union für Deutschland“ angedacht war.

Vor Beginn des Neusser Treffens habe de Maizière noch die deutsche
und internationale Presse ins Neusser „Swisshotel“ einladen lassen,
„um das Scheitern aller Gesprächsversuche mit der CDU-Spitze zu
verkünden“, erklärte Wimmer. Auch der Ehemann der damaligen
Bundestagspräsidentin und Kohl-Kritikerin Rita Süssmuth, Professor
Hans Süssmuth, sei involviert gewesen.

In seinem Buch beklagt Lothar de Maizière mehrfach die Dominanz
Kohls im politischen Miteinander: „Auch im Nachhinein bin ich immer
noch empört darüber, dass er sich anmaßte, für uns – die DDR – zu
sprechen, und – schlimmer noch – mich nicht einmal über diese
Tatsache zu unterrichten.“

De Maizière war Ende 1990 auch wegen Vorwürfen einer
vermeintlichen Stasi-Mitarbeit („IM Czerny“) von seinen politischen
Ämtern zurück getreten. Ein Teil der damaligen Stasi-Gerüchte über de
Maizière waren in den Nach-Wende-Monaten, so Informationen der
Zeitung, auch aus der CDU-Zentrale und dem Kohl zuzurechnenden Umfeld
gegenüber Medien mit befördert worden. Die Bonner Quellen stützten
sich damals auf zwei Aktensammlungen, die ein geheimdienstlicher
DDR-Überläufer frühzeitig dem Bundesverfassungsschutz über
hochrangige DDR-Kirchenpolitiker zugänglich gemacht hatte.

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